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Schimmel im Pool / Folge 1
Die sechsjährige Patrizia Hansen spielte auf der überdachten Terrasse mit ihrer Barbiepuppe. Es war heiß und sie schaute sehnsüchtig auf das glasklare Wasser im Niedrigenergie-Swimmingpool, der in der Mitte des großen Gartens in den Boden eingelassen war. Sie trug über dem Badeanzug ihre pinkfarbene Schwimmweste; ohne diese durfte sie nicht allein in den Garten, da kannten Mama und Papa kein Pardon. Und ans Wasser durfte sie erst recht nicht, ohne dass ein Erwachsener in unmittelbarer Nähe war, Schwimmweste hin oder her. Und selbst wenn die voll automatische Poolabdeckung mit integrierter Solartechnik das Wasser bedeckte, war der Poolbereich tabu.
Etwas weiter döste Neufundländer Brandauer auf seinem Lieblingsplatz, der Thermoabdeckung auf dem 6-Sitzer Außen-Whirlpool. Da hatte er den Überblick, und wenn die automatische Wasserreinigung im Gange war, vibrierte es angenehm. Wiederholt hatten Patrizias Eltern Brandauer verboten, sich hier niederzulassen, aber was Eigensinn und Sturheit anging war der Neufundländer Weltmeister
Patrizia hatte gerade beschlossen, zumindest ihrer Barbie eine Abkühlung zu verschaffen und sie kopfüber in einen kleinen Wassereimer zu tauchen, als plötzlich die Erde zu beben schien. Sie hob den Kopf und auch Brandauer riskierte ein Auge: Ein Pferd preschte wie ein geölter Blitz mit Getöse über die Wiese, hob am Beckenrand ab, schwebte wie bei einer Kapriole im Dressurreiten über dem Wasser, um dann mit einem lauten Platschen mitten im Pool zu landen. Eine großartige Wasserfontäne schoss in den Himmel und regnete anschließend als unzählige, im Sonnenlicht glitzernde Tropfen wieder hinab.
Patrizia war tief beeindruckt und sehr aufgeregt: „Wow, Brandauer, hast du das gesehen?“
Brandauer war ebenfalls sechs Jahre alt, was für einen Hund seiner Größe und für den Neufundländer allgemein schon ein beachtliches Alter ist; da nahm man die Dinge mit Gelassenheit. Ein Tier im Wasser, ja und? Er beschloss, dass keine akute Gefahr drohte, also alles in bester Ordnung, weiterdösen!
Schimmel im Pool / Folge 2
Nach der ungebremsten Bauchlandung hatte es einen kleinen Moment gedauert, bis sich das Pferd so weit nach oben gestrampelt hatte, dass es den mächtigen Kopf über Wasser halten konnte.
„Mammaaa“, rief Patrizia, „in unserem Pool schwimmt ein Pferd!“
„Ja, mein Schatz, ich komme gleich. Und bleib schön auf der Terrasse, nicht ans Wasser gehen, hörst du“?
Pferd und Pool? Diese Kombination hätte sie eigentlich alarmieren müssen. Andererseits verfügte ihre Sechsjährige über sehr viel Fantasie, da konnte man auch nicht immer Allem Glauben schenken, und Brandauer hatte schließlich auch keinen Ton von sich gegeben. Außerdem war Lisa gerade im Stress. Sie musste das Haus auf Vordermann bringen, für den nächsten Tag waren Freunde zum privaten Wellnesstreffen eingeladen. Schwimmen, Saunabaden, Whirlpool - alle vier Wochen traf man sich im Sommer bei Lisa und Peter Hansen. Das Gäste-WC stand noch auf dem Putzplan.
Das Anwesen der Hansens lag am Rande einer kleinen Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern in einer Stichstraße. Links begann der Wald, rechts bildeten die weitläufigen Wiesen und Weiden des Gestüts Wiedemann eine natürliche Grenze. Nur zwanzig Meter von der Haustür entfernt befand sich die Haltestelle für den Bus, der die Kinder der Straße, darunter demnächst auch Erstklässlerin Patrizia zur Schule hin und zurück beförderte. Aber jetzt waren erst einmal Sommerferien.
Das Haus war zwar groß aber insgesamt schlicht elegant. Und – da waren sich Lisa und Peter Hansen einig – Ökologie und Nachhaltigkeit waren oberstes Gebot, und zwar außen wie innen. Das muss man sich aber auch leisten können, hatte sicher schon der eine oder andere Besucher bei Betrachtung der vielen außergewöhnlichen Ausstattungsdetails gedacht. Aber hier saßen die Hansens an der Quelle. Peter hatte vor einigen Jahren den väterlichen Betrieb für Sanitär, Heizung, Klima übernommen und ihn zu einem imposanten Bad- und Wellness Center mit großer Ausstellungfläche drinnen und draußen ausgebaut. Hier war Peter täglich am Puls der Branche und darauf bedacht, dass er seinen Kunden zeitgemäße, sprich umweltgerechte Produkte und Technologien bieten konnte. Lisa unterstützte ihn bisweilen im Center, Vorrang hatte aber ihre Arbeit als Goldschmiedemeisterin. Wobei – hier ergaben sich durchaus Synergien. Gar nicht so selten zierten frisch gebackene Besitzer eines Pools, Whirlpools oder ähnlichem ihr Wellnessprodukt mit einer metallenen oder sogar goldenen Plakette mit Namen und Datum, die Lisa in ihrer Werkstatt im Wohnhaus anfertigte, individuell und als Unikat, versteht sich.
Besagtes Gäste-WC, das Lisa gerade auf Hochglanz brachte, war nicht nur mit edler Keramik ausgestattet, sondern auch mit einem Bewegungsmelder der besonderen Art. Betrat man den Raum, wurde er wie von Zauberhand in ein indirektes, sanftes Licht getaucht, was dem Gesicht bei einem Blick in den Spiegel über der komplett recyclingfähigen Waschschale mit der berührungslosen Sensor-Armatur ungemein schmeichelte. Die eigentliche Überraschung wartete beim Herantreten an das Dusch-WC: Automatisch hob sich der Deckel und gleichzeitig setzte sich das in die Raumdecke integrierte Soundsystem in Gang. Lisa und Peter hatten lange an einer Playlist gefeilt, und auch Patrizia durfte einige Kinderlieder beisteuern. Von Bridge over Troubled Water über Bruder Jakob bis zu Oh Fortuna aus Carmina Burana reichte das Repertoire. Aber das war noch nicht alles, was dieses stille Örtchen so besonders machte: In Union mit der gerade laufenden Musik erstrahlte der Raum in einem farbigen Wechsellicht. Gerade lief die Grafenarie aus Figaros Hochzeit im Endspurt, eine ebenso faszinierende wie lautstarke Angelegenheit. In der Pause zur nächsten Einspielung hörte Lisa erneut ihre Tochter rufen. Sie warf jetzt doch alarmiert den Putzlappen in den Wischeimer und hastete durch Flur und Wohnraum auf die Terrasse. „Patrizia, was ist denn…“
Sie stockte und sah die Bescherung, denn von der Terrasse aus hatte man einen wunderbaren Blick auf das Wasserbecken in klassisch rechteckiger Form mit üppiger Treppenanlage für den bequemen Ein- und Ausstieg. Und mittendrin tatsächlich ein Pferd, genau genommen ein Schimmel.
„Wir müssen es retten…!“ Patrizia nahm ihre Mama an die Hand und zog sie Richtung Pool. Tatsächlich schnaubte das Pferde im Wasser laut durch die Nüstern, was sich lustig bis schaurig anhörte. Dazu schüttelte es die klatschnasse Mähne und rollte mit den Augen. Und wer weiß, wie lange das Pferd, das zudem einen Sattel mit Zaumzeug trug, die Nerven behielt. Zum Glück waren Pferde passable Schwimmer, wusste Lisa, und das beruhigte sie ein wenig. Und so stand sie mit ihrer Tochter am Beckenrand und fragte sich, was nun am besten zu tun sei.
Schimmel im Pool / Folge 3
Ganz abgesehen vom Geschehen am Pool – da war noch was anderes, spürte zumindest der bis dahin still vor sich hindösende Brandauer. Er erhob sich von seinem Lieblingsplatz und kletterte die beiden Stufen am Whirlpool hinunter. Er hielt die Nase in die Luft und nahm Witterung auf – er hatte offenbar eine Spur. Das Grundstück der Hansens war zum Wald hin mit einer dichten Hecke begrenzt, auf die Brandauer zielstrebig zuhielt. Mit einem Satz sprang er über den Rasenmähroboter, der gerade seinen Weg kreuzte und lief nun mit der Nase am Boden langsam an der voll in Blüte stehenden Hibiskus-Hecke entlang und wurde fündig. Lisa hörte Brandauer bellen und wusste, dass tat der Neufundländer nur, wenn es wirklich wichtig war.
Was für ein Tag, dachte Lisa. Sie brachte Patrizia zur Terrasse: „Bleib kurz bei deiner Barbie, Schatz, ich schaue nach Brandauer, bestimmt hat er eine Katze oder sowas entdeckt.“
Lisa eilte über die Wiese zu Brandauer, der ihr mit seinem massigen Körper die Sicht auf das verwehrte, was er entdeckt hatte. Sie musste ihn mit Nachdruck beiseiteschieben. Als erstes sah Lisa ein Bein mit Reitstiefel und dann die gesamte Person im Reitdress. Sie lag auf dem Bauch, die Arme abgewinkelt, der Helm, unter dem goldblondes Haar hervorschaute, etwas verrutscht. Ach, du liebe Güte, dachte Lisa, und kombinierte scharf: Das Pferd ist in Panik, springt über die Hecke, katapultiert dabei seine Reiterin aus dem Sattel und landet auf seinem wilden Ritt in unserem Pool.
„Hallo, können Sie mich hören?“ Lisa berührte die Verletzte leicht an der Schulter und als keinerlei Reaktion erfolgte, griff sie nach dem Handgelenk der Reiterin und tastete nach dem Puls. Nichts. Alarmiert zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und wählte 112. „Das wird schon wieder“, sagte sie zur Verletzten, um dann die Nummer ihres Mannes zu wählen. Ihr Anruf kam ungünstig. Peter befand sich gerade in einem Verkaufsgespräch mit einem Ehepaar; es ging um eine Sauna, genauer um ein Saunahaus mit einem Tauchbecken zur Abkühlung im Garten des Kunden, eine lukrative Sache. „Da muss ich kurz ran“, entschuldigte er sich bei dem Ehepaar.
„Das ist gerade ganz schlecht…“, weiter kam er nicht, denn Lisa unterbrach ihn: „Peter, wir haben einen Schimmel im Pool…“
„Aber, das ist doch nicht tragisch, da gibt es doch dieses neue, umweltverträgliche Mittel… „
„Keinen Schimmel…“
„Was denn nun, Schimmel oder ….“
Lisa unterbrach ihn erneut: „Ja, ein Schimmel, ein Pferd, ein weißes, ein Pferdeschimmel…“
„In unserem Pool?“
„Ja, in unserem Pool. Und das ist noch nicht alles. An der Hecke liegt die Reiterin, ich habe schon den Krankenwagen gerufen. Du musst sofort kommen!“
„Aber ich habe gerade ein wirklich wichtiges…“
„Peter, jetzt! Bitte!“ Lisa legte auf.
Schimmel im Pool / Folge 4
Gegenüber von Hansens Anwesen stand rechts am Ende der Stichstraße das rot geklinkerte Einfamilienhaus von Willi Reichel und seiner Frau Beate. Vom Balkon aus hatte der ehemalige Leiter des Ordnungsamtes nahezu alles im Blick. Wann immer das Wetter es zuließ, saß Willi in seinem Balkonsessel, nahm ab und zu sein Fernglas zur Hand, um die Dinge auf der Straße, auf den Feldern und Wiesen etwas genauer zu betrachten. Er führte mit seiner Frau ein ruhiges Rentnerleben und freute sich, wenn ab und zu Tochter und Sohn zu Besuch kamen. Er war zufrieden. Allein der Reiterhof war ihm ein Dorn im Auge. Genau gesagt, die Reiterinnen und Reiter, die ihren Pferden nicht beibringen konnten, ihre Rossknödel nicht genau vor seiner Haustür fallen zu lassen. Bis zu 50 Kilogramm Pferdeäpfel konnte ein einziger Kaltblüter pro Tag abgeben, da hatte sich Willi schlau gemacht. In Wien zum Beispiel hängt man den Pferden, die die Droschken durch die Stadt ziehen, Beutel unter, die den Kot auffangen sollen. Hätte er auch in seiner Stadt eingeführt - wäre er denn noch im Amt. Seine Frau Beate nahm das Pferdegeäppel gelassen und ab und zu auch gerne einige der dampfenden Hinterlassenschaften als Dünger für ihre Gartenbeete. Willi hingegen konnte richtig wütend werden – auf die Menschen im Sattel wohlgemerkt, denn die Pferde wussten es ja nicht besser. Ein kleiner Klaps auf den Pferdehintern könnte wohl helfen, damit das Ross kehrt machte und sich auf Feld und Wiese erleichterte, dachte sich Willi. Und so bastelte er aus den gelesenen Seiten des Stadtanzeigers kleine Papierkrampen. Eine Hinterbacke des Tieres im Visier schoss er die Krampe mit einem Gummiband ab. Das tat dem Tier nicht weh, und meistens verfehlte Willi sowieso sein Ziel.
Auch heute hörte er schon von Weitem Hufgetrappel. Er griff zum Fernglas: Ach, die Schimmelreiterin wieder, die niemals grüßte und ihm immer so arrogant erschien in ihrem Angeber-Reiterdress. Na warte! Er nahm eine Papierkrampe und hakte sie in das Gummiband. Das zog er schön auf Spannung, zielte und ließ die Krampe dem Pferdehintern entgegenzischen. Volltreffer offenbar, denn der Schimmel stellte sich wie von der Tarantel gestochen auf die Hinterbeine, wieherte laut und preschte zwischen Hansens Anwesen und Wald davon, während sich die Reiterin nur mit Mühe im Sattel halten konnte. Den weiteren Verlauf konnte Willi nicht verfolgen, die Sache war außer Sicht geraten. Die erste Genugtuung war verraucht, und Willi hatte kurz ein schlechtes Gewissen. Aber zumindest war die Straße sauber. Und als er kurz darauf ein lautes Platschen hörte, konnte Willi sich schon wieder aufregen; die Angeber gegenüber mit ihrem riesigen Pool. Und die vielen Leute, die da immer mit Getöse reinsprangen! Ein kleiner Teich, wie ihn Beate und er vor Jahren selbst in ihrem Garten angelegt hatten, hätte es zur Abkühlung doch wohl auch getan. Was ist denn jetzt schon wieder, dachte Willi Reichel, als ein Krankenwagen mit Blaulicht die Straße heraufkam und vor dem Haus der Hansens hielt.
Schimmel im Pool / Folge 5
„Aus, Brandauer!“ befahl Lisa, als dieser an der bewusstlosen Reiterin herumschnüffelte und ihr gerade durchs Gesicht lecken wollte. „Mach Platz und pass auf die Frau auf, rühr dich nicht von der Stelle!“ Sie eilte zu ihrer Tochter, die auf der Terrasse das inzwischen aus dem Spielzimmer geholte Barbie-Pferd immer aufs Neue in den kleinen Wassereimer plumpsen ließ.
„Was hat Brandauer denn da am Zaun?“ fragte sie ihre Mutter.
„Schau, das ist bestimmt die Frau, die auf dem Pferd gesessen hat. Beim Sprung über unsere Hecke hat sie sich wohl nicht richtig festgehalten und ist heruntergefallen. Jetzt tut ihr ganz doll der Kopf weh und Brandauer passt auf sie auf, bis der Krankenwagen kommt.“
„Und was ist jetzt mit dem Pferd im Wasser, Mama?“
Da war einstweilen Ruhe eingekehrt. Der Schimmel hatte sich in Richtung Treppe vorgearbeitet, da wo das Becken flacher war. Nun wieder festen Boden unter den Hufen grummelte es leise vor sich hin und fühlte sich offenbar ganz wohl. Es war noch immer heißer Nachmittag, und hier im Wasser war es schön kühl.
Keine zehn Minuten hatte es seit Lisas Anruf gedauert, bis der Rettungsdienst an der Haustür klingelte. „Gut, dass Sie da sind. Kommen Sie, wir müssen in den Garten.“ Die beiden Rettungsleute staunten nicht schlecht, als ihr Blick auf den Pool fiel: „Deshalb haben sie uns aber nicht gerufen, oder?“ meinte der eine, als er den Schimmel im Wasser entdeckte.
„Nein, natürlich nicht, da hinten…“ Lisa zeigte auf die Hecke, beziehungsweise auf Brandauer, der brav Wache hielt.
„Patrizia, du bleibst hier auf der Terrasse, Papa kommt sicher auch gleich.“
Sie eilte den beiden Männern voraus. „Vorsicht, stolpern Sie bitte nicht über den Rasenmäher!“
„Und laufen Sie bitte nicht gegen die Sauna“, hätte sie fast ergänzt, als sie sah, dass die beiden etwas verwirrt den Schritt verlangsamten. Zwischen Schwimmbad und Hecke stand auf halber Strecke gerahmt von Büschen und hohen Sträuchern ein voll verspiegeltes Häuschen. Peters ganzer Stolz, denn die Spiegelflächen ließen das Saunahaus nahezu unsichtbar erscheinen. Und Solartechnik auf dem Dach sorgte für ordentlich Strom.
„Unsere Sauna“ erklärte sie kurz und weiter gings. „Brav, Brandauer“, lobte sie an der Unglücksstelle angekommen ihren Neufundländer, der die Sanitäter etwas misstrauisch beäugte. Diese wussten, was nun zu tun war. Sie brauchten nur wenige Minuten, dann schauten sie hoch zu Lisa, schüttelten den Kopf und bedeuteten Lisa damit, dass hier nichts mehr zu machen sei.
Lisa gab sich alle Mühe, ihrer Tochter den Aufmarsch im Garten zu erklären. Dass die Besitzerin des Pferdes nicht nur Kopfweh hatte, sondern zu Tode gekommen war, das würde sie Patrizia aber wenn nötig erst später gemeinsam mit ihrem Mann erzählen.
Dann wieherte das Pferd laut und durchdringend und zog damit die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf sich. Offenbar hatte es inzwischen genug vom kühlen Nass oder auch vom kabellosen Pool-Reinigungsroboter, der ihm seit geraumer Zeit zwischen den Beinen hindurchfuhr oder plötzlich seitlich neben ihm die Beckenwand bis zur Wasserlinie hinaufkletterte, um auch dort sauber zu machen.
„Ich würde die Feuerwehr rufen, von allein kriegen sie den Schimmel da nicht raus,“ wandte sich Elke Klausen an den Hausherrn.
„Da haben Sie sicher Recht. Und ich werden auch Bernd Wiedemann vom Gestüt anrufen, Frau Walter hat dort das Pferd untergestellt.“
„Das ist eine gute Idee, dann können wir ihm auch gleich einige Fragen stellen“, meinte Hans Sievers zu seiner Kollegin. Gemeinsam eilten die drei zum Pool.
Es dauerte nicht lange, bis ein Einsatzwagen von der Feuerwehr vor dem Haus der Hansens hielt. In voller Montur stand das 6-köpfige Team nun auf der Poolumrandung, die aussah wie edles Holz, aber in Wahrheit aus 100 % recyclingbaren PVC-Dielen bestand. „Hier kann man auch ohne Rutsch- und Splittergefahr barfuß laufen“, erklärte Peter.
„Dann wollen wir mal sehen, wie wir das Pferdchen an Land bringen“, meinte der Einsatzleiter. Er hatte seinen Helm abgenommen und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Ein Pferd im Pool – das kam schließlich nicht so oft vor, genau genommen war ihm das während seiner Zeit bei der freiwilligen Feuerwehr noch nie untergekommen.
Nun traf auch Bernd Wiedemann ein und wurde von Lisa mit Patrizia an der Hand zu den anderen an das Schwimmbecken geführt. Auch er war ratlos. Aber er konnte bestätigen, dass das Pferd Leonie Winter gehörte und Whitesnake hieß. „Seit sechs oder sieben Jahren steht Whitesnake bei uns in der Box. Frau Winter kommt fast täglich zum Ausritt, Entschuldigung - kam. Herr Hansen hat mir gesagt, dass Whitesnake sie abgeworfen hat?“ Er schaute auf den Schimmel: „Das kann ich kaum glauben, du bist so eine sanfte Seele, nicht wahr mein Guter?“
Whitesnake schnaubte leise, schaute mit seinen großen braunen Augen interessiert auf all die Leute und ließ erstmal einen fetten Pferdeapfel ins klare Wasser fallen – aus Frust oder Entspannung, wer weiß das schon. Der braune Klops glitt langsam dem Beckenboden entgegen, was vom Poolreinigungsroboter augenblicklich registriert wurde. Er setzte sich in Bewegung, um hier unverzüglich für klare Verhältnisse zu sorgen. Bereits am Boden liegend wurde des Schimmels großes Geschäft vom Roboter überfahren und einverleibt. Fasziniert beobachteten die Umstehenden das Schauspiel. „Saubere Sache, und ganz ohne Kabel“, staunte Bernd Wiedemann, worauf Peter Hansen stolz in die Runde schaute.
„Können Sie den auch abschalten?“ fragte der Einsatzleiter. „Der macht uns das Pferd noch völlig nervös.“
„Kein Problem.“ Peter zückte sein Handy, rief die „Smart-Pool-App“ auf und schickte den Roboter mit der richtigen Tastenkombination in die Pause.
Schimmel im Pool / Folge 8
Patrizia zog ihre Mutter an der Hand: „Holen die jetzt endlich das arme Pferd aus dem Wasser, Mama?“.
„Das will ich doch hoffen. Pass auf, Patrizia, ich bringe dich zu Brandauer, da wartest du, bis alles vorbei ist.“ Mit wenigen Schritten waren sie am Whirlpool auf der Terrasse. Lisa hob ihre Tochter auf die Abdeckung und streichelte Brandauer den Kopf: „Mach mal ein wenig Platz Brandauer und pass schön auf Patrizia auf, ja?“
Aus den Augenwinkeln nahm Lisa wahr, dass die verunglückte Frau Walter bereits geborgen in einer Tragewanne zum Leichenwagen transportiert wurde. Und auch die Spurensicherung packte ihre Sachen und war offensichtlich erst mal fertig am Tatort. Sie sah, wie Elke Klausen und Hans Sievers zügig vom Pool zur Hecke gingen.
„Habt ihr was für uns?“, fragte Elke Klausen einen der Männer im weißen Schutzanzug.
„Tja, sieht alles nach einem Unfall aus, keinerlei Auffälligkeiten“, antwortete dieser. Dann hielt er den beiden eine Kunststoff-Trinkflasche, wie sie viele Sportler bei sich tragen, entgegen: „Die haben wir hier im Gras gefunden, könnte der Verunglückten gehören, das werden wir abgleichen. Den Bericht bekommt ihr so schnell wie möglich.“
„Gut, dann lass uns mal wieder zum Pool rüber gehen, Hans“, wandte sich Elke an ihren Kollegen. Dort wurde eifrig diskutiert, wie man die Kuh vom Eis, sprich das Pferd aus dem Wasser bekommen könnte. „Wir brauchen Gurte, die legen wir dem Pferd um den Rumpf und bergen es dann mit einem Kran“, überlegte der Einsatzleiter Frank Harmsen laut. „Oder wir lassen das Wasser ab, dann kann das Pferd einfach herausmarschieren.“
„Das dauert ewig, entgegnete Peter, „ganz abgesehen von der enormen Wasserverschwendung.“
„Ich kenne Whitesnake ja ganz gut. Er ist ein Genusspferd“, meinte Bernd Wiedemann. „vielleicht kann ich ihn mit einem Apfel zur Treppe locken.“
„Das ist hier kein Kinderspiel“, konterte der Einsatzleiter pikiert.
„Ich hole einen Apfel, einen Versuch ist es doch wert“, schaltete sich Lisa ein und lief ins Haus.
Minuten später hatte Bernd Wiedemann die Hosenbeine hochgekrempelt, stieg die ersten Stufen hinab in den Pool und hielt dem Pferd den Leckerbissen vor die Nase: “Schau mal, Apfel magst du doch so gerne, komm, hol ihn dir!“ Das Ross schnaubte leise, war aber unschlüssig. „Wenn er mir wenigstens so weit entgegenkäme, dass ich den Zügel greifen kann.“
„Man müsste von hinten schieben“, überlegte Peter, woraufhin die Feuerwehrleute genervt die Köpfe schüttelten. „Nein wirklich, ich habe eine Idee.“ „Wie wäre es, wenn ich die Gegenstromanlage aktiviere? Das Pferd bekommt Druck von hinten und setzt sich in Bewegung.“
„Gegenstrom…was?“, fragte der Einsatzleiter.
„Schauen Sie, da hinten an der Beckenwand sitzen zwei Düsen. Wenn ich die einschalte, strömt mit Schmackes Wasser in den Pool. Dagegen kann man dann anschwimmen, ohne dass man sich großartig von der Stelle bewegt. Super Training, wird von vielen Schwimmprofis genutzt.“
„Und wenn das Pferd erschrickt und in Panik gerät, haben Sie daran auch gedacht?“ entgegnete der Einsatzleiter.
„Ich fange natürlich ganz sanft an und erhöhe nach und nach die Intensität der Strömung“, erklärte Peter Hansen. „Was meinen Sie, Herr Wiedemann?“
„Das klingt nach einem Plan“, antwortete Wiedemann, „sie müssen aber ganz sachte anfangen mit dem Gegenstrom, oder wie das heißt. Ich locke Whitesnake vorne mit dem Apfel.“
„Was sagen Sie?“ wandte sich Peter an Einsatzleiter Harmsen. Der strich sich über die Stirn: „Ich fresse einen Besen, wenn das funktioniert. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und auch der Schimmel schien gespannt auf die Entscheidung zu sein. Er grummelte leise, blies durch die Nüstern und peischte mit seinem Schweif ein wenig Poolwasser in die Luft. „Na gut, versuchen wir es“, meinte er schließlich und nahm mit seinen Männern Aufstellung hinter Wiedemann, der mit dem Apfel in der Hand beruhigend auf den Schimmel einsprach.
Auch wenn die Rettung des Schimmels eine spannende Angelegenheit zu werden versprach – sie hatten hier einen tragischen Todesfall aufzuklären. „Ich sehe ein, dass das Pferd jetzt mal an Land muss, aber wir müssen ihnen noch einige Fragen stellen“, wandte sich Elke an die Herren Wiedemann und Hansen.
„Können wir das vielleicht anschließend machen, Frau Kommissarin? Meine Frau kann ihnen ohnehin mehr sagen, ich war bei dem Unfall ja gar nicht dabei“.
Lisa war nicht begeistert, sie würde auch lieber die weitere Rettungsaktion verfolgen.
„Können wir irgendwo in Ruhe sprechen, Frau Hansen?“
„Ja, kommen sie, gehen wir auf die Terrasse.“
„Brauchst du mich dabei? Hans Sievers schaute seine Kollegin mit Unschuldsmiene an, hier muss ja schließlich auch einer alles im Blick behalten.“
Elke verdrehte die Augen: „Nein, schon gut.“ „Typisch, ich die Arbeit, Hans das Vergnügen“, murmelte sie und folgte Lisa zur Sitzgruppe unter dem Terrassendach. Immerhin ein angenehm schattiges Plätzchen, und ich kann sogar den Pool von hier aus sehen, dachte sie versöhnt.
„Frau Hansen, kann ich mir kurz die Hände waschen?“
„Ja, natürlich, kommen Sie.“
Schimmel im Pool / Folge 9
Gegenüber saß Willi Reichel nach wie vor auf Beobachtungsposten. Seine Frau hatte sich inzwischen zu ihm gesellt und hatte mit verfolgt, wie der Leichenwagen beladen wurde und dann davonfuhr. „Bist du sicher, dass deine Krampe nichts mit all dem zu tun hat?“ Willi ging ihr schon lange mit seinem Gehabe wegen der Pferdeäpfel auf die Nerven.
„Ach was, die Papierdinger sind doch völlig harmlos“, verteidigte sich Willi.
„Mein lieber Mann, du machst dir mehr Sorgen, als du zugeben willst, das sehe ich dir doch an.
„Unsinn, da ist bestimmt jemand übermütig in den Angeberpool gesprungen. Du weißt doch, was da immer los ist.“
„Jetzt hör aber mal auf“, Beate war nun wirklich erbost. „Die Hansens mit ihrer kleinen Patrizia sind eine sehr nette Familie. Nicht dass der Lütten was passiert ist.“
„Hast ja Recht“, gab Willi kleinlaut zu. Undurchsichtig die ganze Sache und beunruhigend, das mochte Willi gar nicht.
Schimmel im Pool / Folge 10
Elke Klausen war noch etwas verwirrt vom Entertainment auf dem Gäste-WC im Hause Hansen. Die letzten Takte einer Arie im Ohr ging sie durch die große Diele. Sie sah Lisa Hansen in der Küche hantieren. Am Küchentisch saß Patrizia; zu ihren Füßen hatte sich der Neufundländer niedergelassen. Sie löffelte ein Eis: „Haben wir selbst gemacht, in unserer Eismaschine. Willst du auch eins?“
„Oder lieber einen Kaffee oder ein Wasser?“ ergänzte Lisa.
„Gerne ein Wasser.“
„Darf ich das machen, Mama?“ Und schon spurtete Patrizia zur Küchenspüle.
Lisa Hansen sah den erstaunen Blick von Elke Klausen – ein Kind, das freiwillig in der Küche hilft?
„Das macht sie nur, weil wir seit Kurzem eine Sodaarmatur haben. Da fließt automatisch Sprudelwasser aus dem Hahn. Die Anschaffung ist etwas kostspielig, aber auf Dauer rechnet sich das. Besser für die Umwelt und nie wieder Wasserkisten schleppen…“! erklärte Lisa.
Die Kommissarin war beeindruckt – Pool, Klo-Konzert, dieses Sodadings - ein Haus voller Überraschungen, das musste sie später ihrem Kollegen erzählen. Aber jetzt war erst mal die Befragung wichtig.
„Frau Hansen, ich muss Ihnen jetzt noch einige Fragen stellen. Es wäre vielleicht besser, wenn Ihre Tochter …Sie wissen schon“!
„Ja, klar. Patrizia Schatz, geh doch mit Brandauer auf die Terrasse und schau mal, ob das Pferd noch immer im Pool ist.“
Als Tochter und Hund Richtung Terrasse davon gingen, wandte sich Elke Klausen an Lisa: „Frau Hansen, wie war das jetzt nochmal genau mit dem Unfall und dem Pferd?“
„Ich wurde erst durch meine Tochter auf die ganze Sache aufmerksam und kam in den Garten, als der Schimmel schon im Pool war.“
Und wie haben Sie Frau Walter entdeckt?“
„Brandauer hat gebellt, und der bellt nur, wenn es wichtig ist. Ich sah ihn an der Hecke schnüffeln und bin gleich hin. Und da lag Frau Walter und rührte sich nicht. Ich habe sie angesprochen und den Puls gefühlt, aber da war nichts. Dann habe ich einen Krankenwagen gerufen. Da wusste ich auch noch gar nicht, dass es sich um Frau Walter handelt. Sie und ihr Mann sind zwar Kunden meines Mannes, aber die kenne ich natürlich nicht alle persönlich.“
„Und haben Sie eine Vorstellung, warum Frau Walter ausgerechnet in Ihrem Garten verunglückt ist?“
„Wir sind hier ja nahe am Reiterhof, und dass Frau Walter dort ihr Pferd hatte und regelmäßig ausgeritten ist, erzählte mein Mann mir kürzlich.“
„Gab es dafür einen besonderen Anlass? Also ich meine, warum Ihr Mann das erwähnt hat?“
„Ja, tatsächlich. Auf der Baustelle der Walters – eine sehr aufwendige Wellnessanlage - lief wohl nicht alles rund und es gab Ärger zwischen Frau Walter und unserem Bauleiter, Helmut Tamm.“
„Inwiefern?“
Frau Walter soll ihm, also Herrn Tamm – ich will es mal vorsichtig ausdrücken – Avancen gemacht haben. Darauf ist er nicht eingegangen, schließlich ist er glücklich verheiratet. Seitdem soll Frau Walter Helmut Tamm bei jeder Gelegenheit schikaniert haben. Und sie soll schlecht über ihn geredet haben, vor allem auf dem Reiterhof, weil dort auch Tamms Frau Anja täglich bei ihrem Pferd ist. Zwischen den beiden Frauen soll es deshalb immer wieder zum Streit gekommen sein.“
„Das ist ja interessant. Dann hatte Anja Tamm möglicherweise eine ganz schöne Wut auf Frau Walter.“
„Ich glaube, da kann Ihnen mein Mann mehr sagen.“
„Danke, Frau Hansen. Kommen Sie, schauen wir mal, wie weit die Pferderettung gediehen ist. Und den Ehemann von Frau Walter muss ich auch verständigen.“
Schimmel im Pool / Folge 11
Etwa 9 Kilometer Luftlinie vom Haus der Hansens entfernt, stand Josef Walter am Bahnhof und wartete auf seine Frau Leonie, die ihn abholen sollte. Eine Woche lang in Spanien auf Geschäftsreise, eine anstrengende Angelegenheit, und der erwartete Geschäftsabschluss hatte auch nicht funktioniert. Josef Walter handelte mit Klima- und Entlüftungsanlagen im ganz großen Stil. Da war er sehr viel unterwegs und seine Frau entsprechend häufig allein. Aber sie hatte ja ihr Pferd, und der neue Wellnessbereich mit allen Raffinessen sollte ihr demnächst genügend Abwechslung bieten. Alles vom Feinsten – Sauna, Schwimmbad, Tauchbecken, Whirlpool. Und die Krönung – ein Schaumdampfbad, beim dem die Kabine mit feinstem pflegendem Schaum geflutet wird. Er war gespannt, ob während seiner Abwesenheit bereits alle Arbeiten fertig gestellt waren.
Josef schaute auf die Bahnhofsuhr – schon eine halbe Stunde stand er hier, es war heiß und keine Spur von seiner Frau. Er griff zu seinem Handy und tippte ihre Nummer ein. Er ließ es lange klingeln, aber seine Frau ging nicht ran. Das passte eigentlich gar nicht zu ihr. Selbst wenn sie aufgehalten worden wäre, hätte sie ihm eine Nachricht geschickt. Langsam wurde er ärgerlich. „Nehme ein Taxi!“ schrieb er ihr und machte sich auf den Weg.
Er hatte Glück und bekam sofort einen freien Wagen. Nur wenig später hielt das Taxi vor seinem Haus. Er bezahlte, stieg aus und wartete bis der Fahrer sein Gepäck aus dem Kofferraum genommen hatte. Josef wollte gerade auf die Klingel drücken, als die Tür geöffnet wurde. „Wo warst du ….“ begann er, aber statt seiner Frau stand Helmut Tamm, der Bauleiter für den Wellnessbereich vor ihm.
„Gut, dass Sie da sind, Herr Walter. Eigentlich hatte ich einen Termin mit Ihrer Frau, aber sie hat mich versetzt. Sie habe noch einen Änderungswunsch, sagte sie heute früh, als sie meine Leute und mich hineingelassen hat.“
Josef wollte gerade antworten, als das Handy von Helmut Tamm klingelte. „Da muss ich kurz ran, meine Frau.“ Das ist nicht mein Tag, dachte Josef und hätte nichts dagegen gehabt, gleich wieder auf Geschäftsreise zu gehen. Zumal er dabei meist seine Assistentin Susanne an seiner Seite hatte – aber das war eine andere Geschichte.
„Was..!“ hörte er Helmut Tamm aufgeregt sagen und sah diesen fragend an. „Eine Sekunde“, bedeutete dieser ihm und sprach wieder in sein Handy: „OK, wir treffen uns dort, ich fahre direkt los!“
„Ist was passiert?“, fragte Josef.
„Ja, irgendwas mit Ihrer Frau und dem Schimmel, bei den Hansens, ich weiß nichts Genaues.“ Er schaute besorgt: „Wollen Sie mit mir fahren?“
Josef schob seine Taschen in den Flur und schnappte sich seinen Autoschlüssel vom Haken über der Flurkommode: „Nein, ich nehme meinen Wagen, wir treffen uns bei Hansens!“
„Gut, meine Frau kommt direkt vom Reiterhof dort hin.“
Helmut Tamm stieg in den Firmenwagen mit der Aufschrift „Hansen – Ihr Partner für Sauna, Pool, Ambiente“. Josef Walter startete rasant mit seinem Porsche.
Schimmel im Pool / Folge 12
Willi Reichel und seine Frau saßen noch immer auf dem Balkon, vor sich eine Tasse Tee und leckeren Kuchen. Willi traute seinen Ohren nicht – schon wieder Pferdegetrappel. Automatisch griff er zu einer Papierkrampe. „Untersteh dich“, schimpfte Beate, „das muss jetzt mal aufhören, wer weiß was du heute schon angerichtet hast.“
Verunsichert legte Willi die Krampe beiseite: „Hast ja Recht.“ Er sah, wie die Reiterin auf ihrem braunen Pferd heran preschte und vor dem Haus der Hansens mit lautem „Brrrr!“ zum Stehen kam. Sie sprang mit einem Satz aus dem Sattel und befestigte den Zügel am Vorgartenzaun des Anwesens. „Wie im Wilden Westen“, dachte Willi, als seine Aufmerksamkeit erneut gefordert wurde: Mit kreischenden Bremsen hielten fast zeitgleich der Porsche und der Sauna-Pool-Ambiente-Firmenwagen vor Hansens Haus.
Lisa und die Kommissarin hatten gerade ihr Gespräch beendet, als es an der Tür Sturm klingelte. „Ja, ja, ich komme ja schon“, rief sie, eilte mit wenigen Schritten durch die Diele und öffnete. „Wo ist meine Frau?“, bellte Josef Walter und wollte direkt an Lisa vorbeistürmen. „Moment mal, wer sind Sie überhaupt?“ Bevor er etwas antworten konnte, schob sich Tanja Tamm nach vorne: „Hallo Frau Hansen, das ist Herr Walter. Ich hatte meinen Mann angerufen und ihm gesagt, dass etwas mit Leonie Walter und ihrem Pferd passiert sein muss – hier bei Ihnen im Garten oder im Pool, so hatte Herr Wiedemann uns im Gestüt kurz informiert. Was Genaues weiß ich aber auch nicht. Helmut hat es dann direkt an Herrn Walter weitergegeben, und dann sind wir gleich los.
„Ich verstehe, kommen Sie.“
Die vier eilten durch die Diele, wobei Josef Walter einen Augenblick stutzte, stehen blieb und tief Luft holte. Irritiert schauten die anderen ihn an.
„Sie haben eine Raumlüftungsanlage, oder?“
„Äh, ja…“ Sie konnte es kaum fassen – da wird dieser Mann mit dem Unglücksfall seiner Frau konfrontiert und macht sich Gedanken um die Raumluft in ihrem Haus?
„Dachte ich mir, tolle Sache“, bemerkte Walter und trat hinaus auf die Terrasse, gefolgt von Tanja und Helmut Tamm.
„Augenblick, das ist hier möglicherweise ein Tatort“, wurden sie von Elke Klausen aufgehalten. „Wer sind Sie?“
„Das ist der Ehemann von Leonie Walter und die Eheleute Tamm. Ich hatte vorhin von ihnen erzählt.“
Ach, herrjeh, dachte Elke Klausen, den Mann hätten wir längst verständigen müssen. Sie überbrachte ungern schlechte Nachrichten.
Schimmel im Pool / Folge 13
Josef Walter hatte sich nicht von der Kommissarin Klausen aufhalten lassen und trat von der Terrasse auf die Wiese. Ungläubig schaute er auf die Versammlung dort draußen: Feuerwehr, Herr Wiedemann vom Gestüt, Herr Hansen. Außerdem ein weiterer Mann, den er noch nie gesehen hatte. Was um Himmels Willen machen die dort, dachte er. Dann entdeckte er Whitesnake im Pool. Mit wenigen Schritten war er am Beckenrand: „Was ist hier los? Und wo ist meine Frau? Doch nicht etwa auch im Wasser?“
Elke Klausen hatte inzwischen auch den Pool erreicht: „Herr Walter, bitte, bleiben Sie zurück, wir erklären Ihnen alles.“
Sie winkte ihren Kollegen zu sich. Hans Sievers verließ nur ungern das unmittelbare Geschehen am Pool: An der Treppe stand noch immer Herr Wiedemann und lockte den Schimmel mit Apfel und guten Worten zu sich. Dieser rührte sich jedoch nicht von der Stelle, sondern stemmte sich erkennbar gegen den zunehmenden Druck von hinten, denn Peter Hansen hatte inzwischen die Intensität des Gegenstroms leicht erhöht.
„Das wird doch nichts“, murmelte Einsatzleiter Harmsen, hatte aber auch keine andere Idee parat, um das Pferd aus dem Wasser zu bekommen.
Hans Sievers und Elke Klausen führten Josef Walter ein wenig zur Seite: „Herr Walter, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass ihre Frau Leonie verunglückt ist…“ „Das habe ich bereits mitbekommen. Ist sie im Krankenhaus, oder was? Und was macht ihr Pferd da im Pool?“. Josef Walter war außer sich, vor Sorge und Ungeduld. „Also, was wir Ihnen sagen möchten“, Elke Klausen wies auf ihren Kollegen, der allerdings keine Anstalten machte, Josef Walter die Sachlage zu erklären. Wie immer, dachte Elke Klausen. „Herr Walter, wir haben Ihre Frau leider tot aufgefunden. Sie hat den Sturz mit ihrem Pferd nicht überlebt.“ Josef Walter war sichtlich erschüttert: „Wo, wie…was ist denn eigentlich genau passiert, und wo ist sie?“ „In der Gerichtsmedizin, Herr Walter. Wir tun alles, um diesen tragischen Unglücksfall aufzuklären…“ Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als ihr Handy klingelte. „Entschuldigung, Herr Walter, die Gerichtsmedizin, da muss ich ran…“
Schimmel im Pool / Folge 14
Elke Klausen entfernte sich einige Schritte von Herrn Walter und ihrem Kollegen, um das Gespräch auf ihrem Smartphone entgegenzunehmen. Dabei wäre sie fast dem Rasenmähroboter in die Quere gekommen, der nach wie vor fleißig seine Bahnen über den Rasen zog.
Sie war gespannt, was ihr die Kollegin zu sagen hatte: „Ja, Mareike, was gibt es?“
Die Gerichtsmedizinerin Mareike Lüder kam direkt zur Sache: „Also, nach eingehender Untersuchung steht fest, dass Leonie Walter nicht an den Folgen ihres Sturzes vom Pferd gestorben ist, sondern ganz knapp vorher zu Tode gekommen sein muss, also noch im Sattel; PHT, Plötzlicher Herztod, wenn du weißt, was ich meine.“
„Und da gibt es keinen Zweifel?“
„Nein! Sie wird es vielleicht gar nicht bemerkt haben; nicht jeder Betroffene hat warnende Symptome wie Brustschmerzen.“
„Vielleicht hat das Pferd ja gefühlt, dass mit seiner Reiterin etwas nicht stimmt, ist ausgebrochen und mit einem Satz über die Hecke…“, überlegte Elke laut. „Danke, Mareike, dann können wir die Ermittlungen ja einstellen.“
Elke schaute zu Josef Walter und ihren Kollegen: Auch wenn es sich jetzt um einen „natürlichen“ Tod handelte, leichter wurde das Ableben seiner Frau für ihn sicher nicht. Sie ging auf die beiden zu. Und die Sonne brannte unbeirrt vom Himmel. Und dann war ja da auch noch der Schimmel im Pool – was für ein Tag.
Schimmel im Pool / Folge 15
Puh, was für eine Hitze, dachte Lisa Hansen, die wie alle anderen am Pool stand und sich zunehmend Gedanken darüber machte, wie das arme Pferd nun endlich mal gerettet werden könnte. Kurz zuvor hatte die Kommissarin erklärt, dass Leonie Walter auf natürliche Weise zu Tode gekommen war, was Josef Walter sichtlich erschütterte. Er brauchte einen Moment, um sich zu fassen und ging ein paar Schritte in den Garten Richtung Sauna. Als er unvermittelt seinem Spiegelbild gegenüberstand, schien er einen Entschluss zu fassen: Leonis Schimmel, der arme Kerl musste aus dem Wasser, und zwar jetzt, das hätte seine Frau gewollt. Energisch schritt er zurück zum Pool. Lisa ging ihm entgegen, sie wollte ihr Beileid ausdrücken, ihn irgendwie trösten. Das hörte sie die Türklingel. Nimmt das denn gar kein Ende heute, dachte sie, als sie zur Haustür eilte. Sie öffnete und blickte überrascht in die Gesichter ihrer Nachbarn, Willi und Renate Reichel. Willi hatte am Ende doch das schlechte Gewissen zu sehr geplagt. Hatte sein Schuss mit der Krampe auf den Pferdehintern doch mehr Schaden angerichtet, als ihm lieb war? Er brauchte Gewissheit, und seine Frau hatte ihn darin bestärkt, bei den Hansens nachzufragen.
„Hallo, Herr und Frau Reichel…,“ begrüßte Lisa die Nachbarn. „Kann ich etwas für Sie tun? Es ist nur gerade etwas ungünstig…“
„Deshalb sind wir hier“, antwortete Willi Reichel. „Wir haben mitbekommen, dass bei Ihnen etwas passiert sein muss, der Krankenwagen, die Feuerwehr…wir wollten fragen, ob wir helfen können.“
„Das ist eine lange Geschichte: Wir haben einen Schimmel im Pool, seine Besitzerin, die Frau Walter ist quasi im Sattel plötzlich verstorben, als das Pferd mit einem Satz über unsere Hecke gesprungen, über die Wiese gefegt und schließlich im Wasser gelandet ist.“
Die Reichels waren sichtlich erschrocken. „Dann ist die Frau Reichel durch den Sturz ums Leben gekommen?“
„Nein, die Kommissarin hat von einem plötzlichen Herzversagen gesprochen, also ein natürlicher Tod, Sekunden vor dem Sturz. Wissen Sie was, kommen Sie mit in den Garten, vielleicht haben Sie eine Idee, wie man dem armen Pferd nun helfen kann. Sie waren doch beim Ordnungsamt, Herr Reichel, da haben sie sowas vielleicht schon mal erlebt.“
Von seinem Lieblingsplatz aus beobachtete Brandauer mit wachsendem Unmut das Geschehen. Die vielen Menschen, die hier nicht hingehörten, diese Unruhe den ganzen Tag, die Hitze. Und nun führte Lisa zwei weitere Leute in den Garten, die hier eigentlich nicht zu suchen hatten. Und dann noch dieses Pferd im Wasser. Und keiner der Zweibeiner hatte offenbar einen Plan, wie man den Schimmel aus dem Pool bekam. Brandauer hatte die Faxen dicke! Und als Neufundländer hatte er im Gegensatz zu der ganzen Meute am Pool einen Plan.
Schimmel im Pool - das Finale
Mit einem tiefen Brummen erhob sich Brandauer auf seinem Lieblingsplatz, der weichen Abdeckung des Whirlpools. Dabei hätte er fast Patrizia herunter geschubst, die dicht an ihn gelehnt mit ihrer Barbie-Puppe im Arm vor sich hingedöst hatte. „Was ist los, Brandauer“, fragte sie ihn erschrocken. Der Neufundländer brummte erneut und richtete sich zur vollen Größe auf. Er schaute auf das Treiben am Pool. Dann machte er einen Satz und landete auf dem Terrassenboden. Mit erhobenem Haupt schritt er langsam auf das Schwimmbecken zu. Erst als er nah am Beckenrand stand, schienen ihn die dort Versammelten wahrzunehmen. Lisa streichelte Brandauer sanft über den Kopf: „Was machst du hier, Brandauer, du sollst doch bei Patrizia bleiben.“ Der Hund schaute zu ihr hoch, und bevor Lisa noch etwas sagen konnte, setzte er zum Sprung an. Seine fast 75 Kilo trafen auf die Wasseroberfläche, ließen beim Eintauchen eine beachtliche Fontäne emporschießen und das Pferd und die Umstehenden verblüfft aufschauen.
Zügig schwamm der Neufundländer, der von Haus aus ein wahrer Wasserhund ist mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen, Richtung Schimmel. Dieser verhielt sich absolut ruhig, als würde er ahnen, dass sein Retter nahte. Ganz nah am Pferdehals öffnete Brandauer sein großes Maul, nahm den Zügel, der bislang nutzlos im Wasser hing zwischen die Zähne. Das Pferd im Schlepptau, begann er ganz langsam zur Treppe zu schwimmen. Alle hielten den Atem an. Gestütsleiter Bernd Wiedemann, der immer noch auf der Pooltreppe stand, verlor vor Aufregung den Apfel aus der Hand und Frank Harmsen, der Einsatzleiter der Feuerwehrtruppe strich sich ungläubig über die Augen.
Nur noch fast einen Meter bis zur Treppe. Ganz sanft zog Brandauer am Zügel, lammfromm folgte das Pferd. Schließlich hatten sie die Treppe erreicht. Der Neufundländer nahm langsam die Stufen und auch der Schimmel setzte seine Hufe auf die Treppe. Es war absolut still am Pool. Noch eine Stufe. Das Pferd zögerte kurz und keiner der Umstehenden wagte einen Mucks. Würde die Rettung gelingen?
Auch Patrizia hatte das Geschehen verfolgt und lief jetzt zu ihrer Mutter an den Pool: „Die schaffen das doch, oder?“ fragte sie ganz leise. Brandauer hatte sie trotzdem gehört und wandte Patrizia kurz den Kopf zu. Er schaute sie an und blickte dann zum Pferd, so als würde er diesem ein geheimes Kommando geben „Nur noch einen Schritt, Whitesnake…“! Offenbar hatte der Schimmel verstanden. Er setzte die Vorderhufe auf die letzte Stufe und folgte dann Brandauer brav „an Land“, wo sich Hund und Pferd ausgiebig das Wasser aus dem Fell schüttelten. Peter Hansen schwoll die Brust vor Erleichterung und Stolz : sein Haus, sein Pool und sein Hund, der Held des Tages!
Ende
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Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Der Roman ist ohne die Unterstützung von KI entstanden!
Fragen und Anregungen gerne an: info(at)aqua-emotion.de
Die sechsjährige Patrizia Hansen spielte auf der überdachten Terrasse mit ihrer Barbiepuppe. Es war heiß und sie schaute sehnsüchtig auf das glasklare Wasser im Niedrigenergie-Swimmingpool, der in der Mitte des großen Gartens in den Boden eingelassen war. Sie trug über dem Badeanzug ihre pinkfarbene Schwimmweste; ohne diese durfte sie nicht allein in den Garten, da kannten Mama und Papa kein Pardon. Und ans Wasser durfte sie erst recht nicht, ohne dass ein Erwachsener in unmittelbarer Nähe war, Schwimmweste hin oder her. Und selbst wenn die voll automatische Poolabdeckung mit integrierter Solartechnik das Wasser bedeckte, war der Poolbereich tabu.
Etwas weiter döste Neufundländer Brandauer auf seinem Lieblingsplatz, der Thermoabdeckung auf dem 6-Sitzer Außen-Whirlpool. Da hatte er den Überblick, und wenn die automatische Wasserreinigung im Gange war, vibrierte es angenehm. Wiederholt hatten Patrizias Eltern Brandauer verboten, sich hier niederzulassen, aber was Eigensinn und Sturheit anging war der Neufundländer Weltmeister
Patrizia hatte gerade beschlossen, zumindest ihrer Barbie eine Abkühlung zu verschaffen und sie kopfüber in einen kleinen Wassereimer zu tauchen, als plötzlich die Erde zu beben schien. Sie hob den Kopf und auch Brandauer riskierte ein Auge: Ein Pferd preschte wie ein geölter Blitz mit Getöse über die Wiese, hob am Beckenrand ab, schwebte wie bei einer Kapriole im Dressurreiten über dem Wasser, um dann mit einem lauten Platschen mitten im Pool zu landen. Eine großartige Wasserfontäne schoss in den Himmel und regnete anschließend als unzählige, im Sonnenlicht glitzernde Tropfen wieder hinab.
Patrizia war tief beeindruckt und sehr aufgeregt: „Wow, Brandauer, hast du das gesehen?“
Brandauer war ebenfalls sechs Jahre alt, was für einen Hund seiner Größe und für den Neufundländer allgemein schon ein beachtliches Alter ist; da nahm man die Dinge mit Gelassenheit. Ein Tier im Wasser, ja und? Er beschloss, dass keine akute Gefahr drohte, also alles in bester Ordnung, weiterdösen!
Schimmel im Pool / Folge 2
Nach der ungebremsten Bauchlandung hatte es einen kleinen Moment gedauert, bis sich das Pferd so weit nach oben gestrampelt hatte, dass es den mächtigen Kopf über Wasser halten konnte.
„Mammaaa“, rief Patrizia, „in unserem Pool schwimmt ein Pferd!“
„Ja, mein Schatz, ich komme gleich. Und bleib schön auf der Terrasse, nicht ans Wasser gehen, hörst du“?
Pferd und Pool? Diese Kombination hätte sie eigentlich alarmieren müssen. Andererseits verfügte ihre Sechsjährige über sehr viel Fantasie, da konnte man auch nicht immer Allem Glauben schenken, und Brandauer hatte schließlich auch keinen Ton von sich gegeben. Außerdem war Lisa gerade im Stress. Sie musste das Haus auf Vordermann bringen, für den nächsten Tag waren Freunde zum privaten Wellnesstreffen eingeladen. Schwimmen, Saunabaden, Whirlpool - alle vier Wochen traf man sich im Sommer bei Lisa und Peter Hansen. Das Gäste-WC stand noch auf dem Putzplan.
Das Anwesen der Hansens lag am Rande einer kleinen Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern in einer Stichstraße. Links begann der Wald, rechts bildeten die weitläufigen Wiesen und Weiden des Gestüts Wiedemann eine natürliche Grenze. Nur zwanzig Meter von der Haustür entfernt befand sich die Haltestelle für den Bus, der die Kinder der Straße, darunter demnächst auch Erstklässlerin Patrizia zur Schule hin und zurück beförderte. Aber jetzt waren erst einmal Sommerferien.
Das Haus war zwar groß aber insgesamt schlicht elegant. Und – da waren sich Lisa und Peter Hansen einig – Ökologie und Nachhaltigkeit waren oberstes Gebot, und zwar außen wie innen. Das muss man sich aber auch leisten können, hatte sicher schon der eine oder andere Besucher bei Betrachtung der vielen außergewöhnlichen Ausstattungsdetails gedacht. Aber hier saßen die Hansens an der Quelle. Peter hatte vor einigen Jahren den väterlichen Betrieb für Sanitär, Heizung, Klima übernommen und ihn zu einem imposanten Bad- und Wellness Center mit großer Ausstellungfläche drinnen und draußen ausgebaut. Hier war Peter täglich am Puls der Branche und darauf bedacht, dass er seinen Kunden zeitgemäße, sprich umweltgerechte Produkte und Technologien bieten konnte. Lisa unterstützte ihn bisweilen im Center, Vorrang hatte aber ihre Arbeit als Goldschmiedemeisterin. Wobei – hier ergaben sich durchaus Synergien. Gar nicht so selten zierten frisch gebackene Besitzer eines Pools, Whirlpools oder ähnlichem ihr Wellnessprodukt mit einer metallenen oder sogar goldenen Plakette mit Namen und Datum, die Lisa in ihrer Werkstatt im Wohnhaus anfertigte, individuell und als Unikat, versteht sich.
Besagtes Gäste-WC, das Lisa gerade auf Hochglanz brachte, war nicht nur mit edler Keramik ausgestattet, sondern auch mit einem Bewegungsmelder der besonderen Art. Betrat man den Raum, wurde er wie von Zauberhand in ein indirektes, sanftes Licht getaucht, was dem Gesicht bei einem Blick in den Spiegel über der komplett recyclingfähigen Waschschale mit der berührungslosen Sensor-Armatur ungemein schmeichelte. Die eigentliche Überraschung wartete beim Herantreten an das Dusch-WC: Automatisch hob sich der Deckel und gleichzeitig setzte sich das in die Raumdecke integrierte Soundsystem in Gang. Lisa und Peter hatten lange an einer Playlist gefeilt, und auch Patrizia durfte einige Kinderlieder beisteuern. Von Bridge over Troubled Water über Bruder Jakob bis zu Oh Fortuna aus Carmina Burana reichte das Repertoire. Aber das war noch nicht alles, was dieses stille Örtchen so besonders machte: In Union mit der gerade laufenden Musik erstrahlte der Raum in einem farbigen Wechsellicht. Gerade lief die Grafenarie aus Figaros Hochzeit im Endspurt, eine ebenso faszinierende wie lautstarke Angelegenheit. In der Pause zur nächsten Einspielung hörte Lisa erneut ihre Tochter rufen. Sie warf jetzt doch alarmiert den Putzlappen in den Wischeimer und hastete durch Flur und Wohnraum auf die Terrasse. „Patrizia, was ist denn…“
Sie stockte und sah die Bescherung, denn von der Terrasse aus hatte man einen wunderbaren Blick auf das Wasserbecken in klassisch rechteckiger Form mit üppiger Treppenanlage für den bequemen Ein- und Ausstieg. Und mittendrin tatsächlich ein Pferd, genau genommen ein Schimmel.
„Wir müssen es retten…!“ Patrizia nahm ihre Mama an die Hand und zog sie Richtung Pool. Tatsächlich schnaubte das Pferde im Wasser laut durch die Nüstern, was sich lustig bis schaurig anhörte. Dazu schüttelte es die klatschnasse Mähne und rollte mit den Augen. Und wer weiß, wie lange das Pferd, das zudem einen Sattel mit Zaumzeug trug, die Nerven behielt. Zum Glück waren Pferde passable Schwimmer, wusste Lisa, und das beruhigte sie ein wenig. Und so stand sie mit ihrer Tochter am Beckenrand und fragte sich, was nun am besten zu tun sei.
Schimmel im Pool / Folge 3
Ganz abgesehen vom Geschehen am Pool – da war noch was anderes, spürte zumindest der bis dahin still vor sich hindösende Brandauer. Er erhob sich von seinem Lieblingsplatz und kletterte die beiden Stufen am Whirlpool hinunter. Er hielt die Nase in die Luft und nahm Witterung auf – er hatte offenbar eine Spur. Das Grundstück der Hansens war zum Wald hin mit einer dichten Hecke begrenzt, auf die Brandauer zielstrebig zuhielt. Mit einem Satz sprang er über den Rasenmähroboter, der gerade seinen Weg kreuzte und lief nun mit der Nase am Boden langsam an der voll in Blüte stehenden Hibiskus-Hecke entlang und wurde fündig. Lisa hörte Brandauer bellen und wusste, dass tat der Neufundländer nur, wenn es wirklich wichtig war.
Was für ein Tag, dachte Lisa. Sie brachte Patrizia zur Terrasse: „Bleib kurz bei deiner Barbie, Schatz, ich schaue nach Brandauer, bestimmt hat er eine Katze oder sowas entdeckt.“
Lisa eilte über die Wiese zu Brandauer, der ihr mit seinem massigen Körper die Sicht auf das verwehrte, was er entdeckt hatte. Sie musste ihn mit Nachdruck beiseiteschieben. Als erstes sah Lisa ein Bein mit Reitstiefel und dann die gesamte Person im Reitdress. Sie lag auf dem Bauch, die Arme abgewinkelt, der Helm, unter dem goldblondes Haar hervorschaute, etwas verrutscht. Ach, du liebe Güte, dachte Lisa, und kombinierte scharf: Das Pferd ist in Panik, springt über die Hecke, katapultiert dabei seine Reiterin aus dem Sattel und landet auf seinem wilden Ritt in unserem Pool.
„Hallo, können Sie mich hören?“ Lisa berührte die Verletzte leicht an der Schulter und als keinerlei Reaktion erfolgte, griff sie nach dem Handgelenk der Reiterin und tastete nach dem Puls. Nichts. Alarmiert zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und wählte 112. „Das wird schon wieder“, sagte sie zur Verletzten, um dann die Nummer ihres Mannes zu wählen. Ihr Anruf kam ungünstig. Peter befand sich gerade in einem Verkaufsgespräch mit einem Ehepaar; es ging um eine Sauna, genauer um ein Saunahaus mit einem Tauchbecken zur Abkühlung im Garten des Kunden, eine lukrative Sache. „Da muss ich kurz ran“, entschuldigte er sich bei dem Ehepaar.
„Das ist gerade ganz schlecht…“, weiter kam er nicht, denn Lisa unterbrach ihn: „Peter, wir haben einen Schimmel im Pool…“
„Aber, das ist doch nicht tragisch, da gibt es doch dieses neue, umweltverträgliche Mittel… „
„Keinen Schimmel…“
„Was denn nun, Schimmel oder ….“
Lisa unterbrach ihn erneut: „Ja, ein Schimmel, ein Pferd, ein weißes, ein Pferdeschimmel…“
„In unserem Pool?“
„Ja, in unserem Pool. Und das ist noch nicht alles. An der Hecke liegt die Reiterin, ich habe schon den Krankenwagen gerufen. Du musst sofort kommen!“
„Aber ich habe gerade ein wirklich wichtiges…“
„Peter, jetzt! Bitte!“ Lisa legte auf.
Schimmel im Pool / Folge 4
Gegenüber von Hansens Anwesen stand rechts am Ende der Stichstraße das rot geklinkerte Einfamilienhaus von Willi Reichel und seiner Frau Beate. Vom Balkon aus hatte der ehemalige Leiter des Ordnungsamtes nahezu alles im Blick. Wann immer das Wetter es zuließ, saß Willi in seinem Balkonsessel, nahm ab und zu sein Fernglas zur Hand, um die Dinge auf der Straße, auf den Feldern und Wiesen etwas genauer zu betrachten. Er führte mit seiner Frau ein ruhiges Rentnerleben und freute sich, wenn ab und zu Tochter und Sohn zu Besuch kamen. Er war zufrieden. Allein der Reiterhof war ihm ein Dorn im Auge. Genau gesagt, die Reiterinnen und Reiter, die ihren Pferden nicht beibringen konnten, ihre Rossknödel nicht genau vor seiner Haustür fallen zu lassen. Bis zu 50 Kilogramm Pferdeäpfel konnte ein einziger Kaltblüter pro Tag abgeben, da hatte sich Willi schlau gemacht. In Wien zum Beispiel hängt man den Pferden, die die Droschken durch die Stadt ziehen, Beutel unter, die den Kot auffangen sollen. Hätte er auch in seiner Stadt eingeführt - wäre er denn noch im Amt. Seine Frau Beate nahm das Pferdegeäppel gelassen und ab und zu auch gerne einige der dampfenden Hinterlassenschaften als Dünger für ihre Gartenbeete. Willi hingegen konnte richtig wütend werden – auf die Menschen im Sattel wohlgemerkt, denn die Pferde wussten es ja nicht besser. Ein kleiner Klaps auf den Pferdehintern könnte wohl helfen, damit das Ross kehrt machte und sich auf Feld und Wiese erleichterte, dachte sich Willi. Und so bastelte er aus den gelesenen Seiten des Stadtanzeigers kleine Papierkrampen. Eine Hinterbacke des Tieres im Visier schoss er die Krampe mit einem Gummiband ab. Das tat dem Tier nicht weh, und meistens verfehlte Willi sowieso sein Ziel.
Auch heute hörte er schon von Weitem Hufgetrappel. Er griff zum Fernglas: Ach, die Schimmelreiterin wieder, die niemals grüßte und ihm immer so arrogant erschien in ihrem Angeber-Reiterdress. Na warte! Er nahm eine Papierkrampe und hakte sie in das Gummiband. Das zog er schön auf Spannung, zielte und ließ die Krampe dem Pferdehintern entgegenzischen. Volltreffer offenbar, denn der Schimmel stellte sich wie von der Tarantel gestochen auf die Hinterbeine, wieherte laut und preschte zwischen Hansens Anwesen und Wald davon, während sich die Reiterin nur mit Mühe im Sattel halten konnte. Den weiteren Verlauf konnte Willi nicht verfolgen, die Sache war außer Sicht geraten. Die erste Genugtuung war verraucht, und Willi hatte kurz ein schlechtes Gewissen. Aber zumindest war die Straße sauber. Und als er kurz darauf ein lautes Platschen hörte, konnte Willi sich schon wieder aufregen; die Angeber gegenüber mit ihrem riesigen Pool. Und die vielen Leute, die da immer mit Getöse reinsprangen! Ein kleiner Teich, wie ihn Beate und er vor Jahren selbst in ihrem Garten angelegt hatten, hätte es zur Abkühlung doch wohl auch getan. Was ist denn jetzt schon wieder, dachte Willi Reichel, als ein Krankenwagen mit Blaulicht die Straße heraufkam und vor dem Haus der Hansens hielt.
Schimmel im Pool / Folge 5
„Aus, Brandauer!“ befahl Lisa, als dieser an der bewusstlosen Reiterin herumschnüffelte und ihr gerade durchs Gesicht lecken wollte. „Mach Platz und pass auf die Frau auf, rühr dich nicht von der Stelle!“ Sie eilte zu ihrer Tochter, die auf der Terrasse das inzwischen aus dem Spielzimmer geholte Barbie-Pferd immer aufs Neue in den kleinen Wassereimer plumpsen ließ.
„Was hat Brandauer denn da am Zaun?“ fragte sie ihre Mutter.
„Schau, das ist bestimmt die Frau, die auf dem Pferd gesessen hat. Beim Sprung über unsere Hecke hat sie sich wohl nicht richtig festgehalten und ist heruntergefallen. Jetzt tut ihr ganz doll der Kopf weh und Brandauer passt auf sie auf, bis der Krankenwagen kommt.“
„Und was ist jetzt mit dem Pferd im Wasser, Mama?“
Da war einstweilen Ruhe eingekehrt. Der Schimmel hatte sich in Richtung Treppe vorgearbeitet, da wo das Becken flacher war. Nun wieder festen Boden unter den Hufen grummelte es leise vor sich hin und fühlte sich offenbar ganz wohl. Es war noch immer heißer Nachmittag, und hier im Wasser war es schön kühl.
Keine zehn Minuten hatte es seit Lisas Anruf gedauert, bis der Rettungsdienst an der Haustür klingelte. „Gut, dass Sie da sind. Kommen Sie, wir müssen in den Garten.“ Die beiden Rettungsleute staunten nicht schlecht, als ihr Blick auf den Pool fiel: „Deshalb haben sie uns aber nicht gerufen, oder?“ meinte der eine, als er den Schimmel im Wasser entdeckte.
„Nein, natürlich nicht, da hinten…“ Lisa zeigte auf die Hecke, beziehungsweise auf Brandauer, der brav Wache hielt.
„Patrizia, du bleibst hier auf der Terrasse, Papa kommt sicher auch gleich.“
Sie eilte den beiden Männern voraus. „Vorsicht, stolpern Sie bitte nicht über den Rasenmäher!“
„Und laufen Sie bitte nicht gegen die Sauna“, hätte sie fast ergänzt, als sie sah, dass die beiden etwas verwirrt den Schritt verlangsamten. Zwischen Schwimmbad und Hecke stand auf halber Strecke gerahmt von Büschen und hohen Sträuchern ein voll verspiegeltes Häuschen. Peters ganzer Stolz, denn die Spiegelflächen ließen das Saunahaus nahezu unsichtbar erscheinen. Und Solartechnik auf dem Dach sorgte für ordentlich Strom.
„Unsere Sauna“ erklärte sie kurz und weiter gings. „Brav, Brandauer“, lobte sie an der Unglücksstelle angekommen ihren Neufundländer, der die Sanitäter etwas misstrauisch beäugte. Diese wussten, was nun zu tun war. Sie brauchten nur wenige Minuten, dann schauten sie hoch zu Lisa, schüttelten den Kopf und bedeuteten Lisa damit, dass hier nichts mehr zu machen sei.
Schimmel im Pool / Folge 6
Noch erschüttert vom Resultat der Untersuchung, sah Lisa ihren Mann durch den Garten eilen. Sie lief ihm entgegen und setzte ihn kurz ins Bild. „Tja, die Todesursache ist nicht eindeutig“, erklärte einer der Rettungsleute, „da müssen wir die Polizei hinzuziehen. Mein Kollege hat sie schon verständigt.“ Peter trat näher an die Frau im Gras heran:“ Ach, du liebe Güte, das ist Leonie Walter“. „Sie kennen die Frau?“ „Ja, ihr Mann und sie sind Kunden von uns. Wir renovieren gerade den Wellnessbereich in ihrem Haus“. In diesem Moment rief Patrizia, die neugierig von der Terrasse das Geschehen an der Hecke beobachtete: „Mama, Papa, da klingelt jemand!“ Und selbstverständlich durfte sie niemals jemandem ohne ihre Eltern die Tür aufmachen. „Warte, Schatz, ich komme.“ Als Lisa die Haustür öffnete, standen dort eine Frau und ein Mann: “Elke Klausen von der Kripo und mein Kollege Hans Sievers.“ Sie hielten Lisa ihre Dienstausweise entgegen. „Ja, kommen Sie bitte.“ Lisa führte die beiden durch den Wohnraum auf die Terrasse, an ihrer Seite Patrizia: „Mama, retten die jetzt das Pferd?“ Elke Klausen schaute kurz zu ihrem Kollegen: „Es geht um ein Pferd?“ fragte sie ungläubig und entdeckte im gleichen Moment den Schimmel im Pool. „Nein…, ja auch, aber dahinten im Garten…“, Lisa zeigte auf die Sanitäter und ihren Mann. „Kann ich hier bei meiner Tochter bleiben? Mein Mann wird ihnen alles erklären.“ „Ja natürlich, wir rufen Sie, wenn nötig“, antworte Elke Klausen und bewegte sich mit ihrem Kollegen zügig Richtung Hecke. „Gut, dass sie da sind“, begrüßte Peter die beiden, die sich nach kurzem Vorstellen an die Sanitäter wandten: „Keine offensichtlichen Verletzungen, die zum Tod hätten führen können?“ fragte Elke Klausen. „Nein, keine äußeren Einwirkungen erkennbar. Die Todesursache wird eine Obduktion klären müssen.“ „Gut, wir brauchen auf jeden Fall die Spurensicherung und die Rechtsmedizin,“ sagte Elke und schaute ihren Kollegen an. Hans Sievers nickte und griff zu seinem Smartphone: „Und den Leichenwagen fordere ich auch direkt an.“ Er ging ein wenig zur Seite und wäre fast über den Rasenmähroboter gestolpert, der unbeirrbar seine Bahnen abfuhr. Und dann nahm ausgerechnet auch noch die verdeckt eingebaute Rasensprenganlage ihren Betrieb auf und ließ weiträumig Wasser über die Wiese regnen. „Oh, Entschuldigung“, sagte Peter und holte sein Smartphone aus der Brusttasche seines Hemdes hervor, drückte einige Tasten, bis der künstliche Regen aufhörte und die Präzisionsdüsen wieder knapp unter der Grasnarbe verschwanden. Hans Sievers schüttelte genervt den Kopf und strich sein feuchtes Haar zurück: „Guter Mann, wir haben hier einen Tatort…!“ Wie auf Stichwort erschienen die Leute von der Spurensicherung in ihren weißen Overalls im Garten. Und schon wieder musste Lisa zur Haustür eilen, um die beiden Bestatter hereinzulassen, die sie ebenfalls zur Hecke schickte. Die fremden Leute, das Pferd, der plötzliche Regen – Brandauer wurde die ganze Sache zu unübersichtlich und anstrengend. Er trottete zu seinem Lieblingsplatz und ließ sich von dem leisen Summen im Whirlpool unter der weichen Abdeckung beruhigen. Gegenüber verfolgte Willi Reichel vom Balkon aus das ungewöhnliche Geschehen auf der sonst so ruhigen Stichstraße. Krankenwagen, Polizei, Leichenwagen – fehlt nur noch die Feuerwehr, dachte er. Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl. Nicht, dass am Ende seine harmlose Papierkrampe etwas damit zutun hatte.
Schimmel im Pool / Folge 7 Noch erschüttert vom Resultat der Untersuchung, sah Lisa ihren Mann durch den Garten eilen. Sie lief ihm entgegen und setzte ihn kurz ins Bild. „Tja, die Todesursache ist nicht eindeutig“, erklärte einer der Rettungsleute, „da müssen wir die Polizei hinzuziehen. Mein Kollege hat sie schon verständigt.“ Peter trat näher an die Frau im Gras heran:“ Ach, du liebe Güte, das ist Leonie Walter“. „Sie kennen die Frau?“ „Ja, ihr Mann und sie sind Kunden von uns. Wir renovieren gerade den Wellnessbereich in ihrem Haus“. In diesem Moment rief Patrizia, die neugierig von der Terrasse das Geschehen an der Hecke beobachtete: „Mama, Papa, da klingelt jemand!“ Und selbstverständlich durfte sie niemals jemandem ohne ihre Eltern die Tür aufmachen. „Warte, Schatz, ich komme.“ Als Lisa die Haustür öffnete, standen dort eine Frau und ein Mann: “Elke Klausen von der Kripo und mein Kollege Hans Sievers.“ Sie hielten Lisa ihre Dienstausweise entgegen. „Ja, kommen Sie bitte.“ Lisa führte die beiden durch den Wohnraum auf die Terrasse, an ihrer Seite Patrizia: „Mama, retten die jetzt das Pferd?“ Elke Klausen schaute kurz zu ihrem Kollegen: „Es geht um ein Pferd?“ fragte sie ungläubig und entdeckte im gleichen Moment den Schimmel im Pool. „Nein…, ja auch, aber dahinten im Garten…“, Lisa zeigte auf die Sanitäter und ihren Mann. „Kann ich hier bei meiner Tochter bleiben? Mein Mann wird ihnen alles erklären.“ „Ja natürlich, wir rufen Sie, wenn nötig“, antworte Elke Klausen und bewegte sich mit ihrem Kollegen zügig Richtung Hecke. „Gut, dass sie da sind“, begrüßte Peter die beiden, die sich nach kurzem Vorstellen an die Sanitäter wandten: „Keine offensichtlichen Verletzungen, die zum Tod hätten führen können?“ fragte Elke Klausen. „Nein, keine äußeren Einwirkungen erkennbar. Die Todesursache wird eine Obduktion klären müssen.“ „Gut, wir brauchen auf jeden Fall die Spurensicherung und die Rechtsmedizin,“ sagte Elke und schaute ihren Kollegen an. Hans Sievers nickte und griff zu seinem Smartphone: „Und den Leichenwagen fordere ich auch direkt an.“ Er ging ein wenig zur Seite und wäre fast über den Rasenmähroboter gestolpert, der unbeirrbar seine Bahnen abfuhr. Und dann nahm ausgerechnet auch noch die verdeckt eingebaute Rasensprenganlage ihren Betrieb auf und ließ weiträumig Wasser über die Wiese regnen. „Oh, Entschuldigung“, sagte Peter und holte sein Smartphone aus der Brusttasche seines Hemdes hervor, drückte einige Tasten, bis der künstliche Regen aufhörte und die Präzisionsdüsen wieder knapp unter der Grasnarbe verschwanden. Hans Sievers schüttelte genervt den Kopf und strich sein feuchtes Haar zurück: „Guter Mann, wir haben hier einen Tatort…!“ Wie auf Stichwort erschienen die Leute von der Spurensicherung in ihren weißen Overalls im Garten. Und schon wieder musste Lisa zur Haustür eilen, um die beiden Bestatter hereinzulassen, die sie ebenfalls zur Hecke schickte. Die fremden Leute, das Pferd, der plötzliche Regen – Brandauer wurde die ganze Sache zu unübersichtlich und anstrengend. Er trottete zu seinem Lieblingsplatz und ließ sich von dem leisen Summen im Whirlpool unter der weichen Abdeckung beruhigen. Gegenüber verfolgte Willi Reichel vom Balkon aus das ungewöhnliche Geschehen auf der sonst so ruhigen Stichstraße. Krankenwagen, Polizei, Leichenwagen – fehlt nur noch die Feuerwehr, dachte er. Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl. Nicht, dass am Ende seine harmlose Papierkrampe etwas damit zutun hatte.
Lisa gab sich alle Mühe, ihrer Tochter den Aufmarsch im Garten zu erklären. Dass die Besitzerin des Pferdes nicht nur Kopfweh hatte, sondern zu Tode gekommen war, das würde sie Patrizia aber wenn nötig erst später gemeinsam mit ihrem Mann erzählen.
Dann wieherte das Pferd laut und durchdringend und zog damit die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf sich. Offenbar hatte es inzwischen genug vom kühlen Nass oder auch vom kabellosen Pool-Reinigungsroboter, der ihm seit geraumer Zeit zwischen den Beinen hindurchfuhr oder plötzlich seitlich neben ihm die Beckenwand bis zur Wasserlinie hinaufkletterte, um auch dort sauber zu machen.
„Ich würde die Feuerwehr rufen, von allein kriegen sie den Schimmel da nicht raus,“ wandte sich Elke Klausen an den Hausherrn.
„Da haben Sie sicher Recht. Und ich werden auch Bernd Wiedemann vom Gestüt anrufen, Frau Walter hat dort das Pferd untergestellt.“
„Das ist eine gute Idee, dann können wir ihm auch gleich einige Fragen stellen“, meinte Hans Sievers zu seiner Kollegin. Gemeinsam eilten die drei zum Pool.
Es dauerte nicht lange, bis ein Einsatzwagen von der Feuerwehr vor dem Haus der Hansens hielt. In voller Montur stand das 6-köpfige Team nun auf der Poolumrandung, die aussah wie edles Holz, aber in Wahrheit aus 100 % recyclingbaren PVC-Dielen bestand. „Hier kann man auch ohne Rutsch- und Splittergefahr barfuß laufen“, erklärte Peter.
„Dann wollen wir mal sehen, wie wir das Pferdchen an Land bringen“, meinte der Einsatzleiter. Er hatte seinen Helm abgenommen und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Ein Pferd im Pool – das kam schließlich nicht so oft vor, genau genommen war ihm das während seiner Zeit bei der freiwilligen Feuerwehr noch nie untergekommen.
Nun traf auch Bernd Wiedemann ein und wurde von Lisa mit Patrizia an der Hand zu den anderen an das Schwimmbecken geführt. Auch er war ratlos. Aber er konnte bestätigen, dass das Pferd Leonie Winter gehörte und Whitesnake hieß. „Seit sechs oder sieben Jahren steht Whitesnake bei uns in der Box. Frau Winter kommt fast täglich zum Ausritt, Entschuldigung - kam. Herr Hansen hat mir gesagt, dass Whitesnake sie abgeworfen hat?“ Er schaute auf den Schimmel: „Das kann ich kaum glauben, du bist so eine sanfte Seele, nicht wahr mein Guter?“
Whitesnake schnaubte leise, schaute mit seinen großen braunen Augen interessiert auf all die Leute und ließ erstmal einen fetten Pferdeapfel ins klare Wasser fallen – aus Frust oder Entspannung, wer weiß das schon. Der braune Klops glitt langsam dem Beckenboden entgegen, was vom Poolreinigungsroboter augenblicklich registriert wurde. Er setzte sich in Bewegung, um hier unverzüglich für klare Verhältnisse zu sorgen. Bereits am Boden liegend wurde des Schimmels großes Geschäft vom Roboter überfahren und einverleibt. Fasziniert beobachteten die Umstehenden das Schauspiel. „Saubere Sache, und ganz ohne Kabel“, staunte Bernd Wiedemann, worauf Peter Hansen stolz in die Runde schaute.
„Können Sie den auch abschalten?“ fragte der Einsatzleiter. „Der macht uns das Pferd noch völlig nervös.“
„Kein Problem.“ Peter zückte sein Handy, rief die „Smart-Pool-App“ auf und schickte den Roboter mit der richtigen Tastenkombination in die Pause.
Schimmel im Pool / Folge 8
Patrizia zog ihre Mutter an der Hand: „Holen die jetzt endlich das arme Pferd aus dem Wasser, Mama?“.
„Das will ich doch hoffen. Pass auf, Patrizia, ich bringe dich zu Brandauer, da wartest du, bis alles vorbei ist.“ Mit wenigen Schritten waren sie am Whirlpool auf der Terrasse. Lisa hob ihre Tochter auf die Abdeckung und streichelte Brandauer den Kopf: „Mach mal ein wenig Platz Brandauer und pass schön auf Patrizia auf, ja?“
Aus den Augenwinkeln nahm Lisa wahr, dass die verunglückte Frau Walter bereits geborgen in einer Tragewanne zum Leichenwagen transportiert wurde. Und auch die Spurensicherung packte ihre Sachen und war offensichtlich erst mal fertig am Tatort. Sie sah, wie Elke Klausen und Hans Sievers zügig vom Pool zur Hecke gingen.
„Habt ihr was für uns?“, fragte Elke Klausen einen der Männer im weißen Schutzanzug.
„Tja, sieht alles nach einem Unfall aus, keinerlei Auffälligkeiten“, antwortete dieser. Dann hielt er den beiden eine Kunststoff-Trinkflasche, wie sie viele Sportler bei sich tragen, entgegen: „Die haben wir hier im Gras gefunden, könnte der Verunglückten gehören, das werden wir abgleichen. Den Bericht bekommt ihr so schnell wie möglich.“
„Gut, dann lass uns mal wieder zum Pool rüber gehen, Hans“, wandte sich Elke an ihren Kollegen. Dort wurde eifrig diskutiert, wie man die Kuh vom Eis, sprich das Pferd aus dem Wasser bekommen könnte. „Wir brauchen Gurte, die legen wir dem Pferd um den Rumpf und bergen es dann mit einem Kran“, überlegte der Einsatzleiter Frank Harmsen laut. „Oder wir lassen das Wasser ab, dann kann das Pferd einfach herausmarschieren.“
„Das dauert ewig, entgegnete Peter, „ganz abgesehen von der enormen Wasserverschwendung.“
„Ich kenne Whitesnake ja ganz gut. Er ist ein Genusspferd“, meinte Bernd Wiedemann. „vielleicht kann ich ihn mit einem Apfel zur Treppe locken.“
„Das ist hier kein Kinderspiel“, konterte der Einsatzleiter pikiert.
„Ich hole einen Apfel, einen Versuch ist es doch wert“, schaltete sich Lisa ein und lief ins Haus.
Minuten später hatte Bernd Wiedemann die Hosenbeine hochgekrempelt, stieg die ersten Stufen hinab in den Pool und hielt dem Pferd den Leckerbissen vor die Nase: “Schau mal, Apfel magst du doch so gerne, komm, hol ihn dir!“ Das Ross schnaubte leise, war aber unschlüssig. „Wenn er mir wenigstens so weit entgegenkäme, dass ich den Zügel greifen kann.“
„Man müsste von hinten schieben“, überlegte Peter, woraufhin die Feuerwehrleute genervt die Köpfe schüttelten. „Nein wirklich, ich habe eine Idee.“ „Wie wäre es, wenn ich die Gegenstromanlage aktiviere? Das Pferd bekommt Druck von hinten und setzt sich in Bewegung.“
„Gegenstrom…was?“, fragte der Einsatzleiter.
„Schauen Sie, da hinten an der Beckenwand sitzen zwei Düsen. Wenn ich die einschalte, strömt mit Schmackes Wasser in den Pool. Dagegen kann man dann anschwimmen, ohne dass man sich großartig von der Stelle bewegt. Super Training, wird von vielen Schwimmprofis genutzt.“
„Und wenn das Pferd erschrickt und in Panik gerät, haben Sie daran auch gedacht?“ entgegnete der Einsatzleiter.
„Ich fange natürlich ganz sanft an und erhöhe nach und nach die Intensität der Strömung“, erklärte Peter Hansen. „Was meinen Sie, Herr Wiedemann?“
„Das klingt nach einem Plan“, antwortete Wiedemann, „sie müssen aber ganz sachte anfangen mit dem Gegenstrom, oder wie das heißt. Ich locke Whitesnake vorne mit dem Apfel.“
„Was sagen Sie?“ wandte sich Peter an Einsatzleiter Harmsen. Der strich sich über die Stirn: „Ich fresse einen Besen, wenn das funktioniert. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und auch der Schimmel schien gespannt auf die Entscheidung zu sein. Er grummelte leise, blies durch die Nüstern und peischte mit seinem Schweif ein wenig Poolwasser in die Luft. „Na gut, versuchen wir es“, meinte er schließlich und nahm mit seinen Männern Aufstellung hinter Wiedemann, der mit dem Apfel in der Hand beruhigend auf den Schimmel einsprach.
Auch wenn die Rettung des Schimmels eine spannende Angelegenheit zu werden versprach – sie hatten hier einen tragischen Todesfall aufzuklären. „Ich sehe ein, dass das Pferd jetzt mal an Land muss, aber wir müssen ihnen noch einige Fragen stellen“, wandte sich Elke an die Herren Wiedemann und Hansen.
„Können wir das vielleicht anschließend machen, Frau Kommissarin? Meine Frau kann ihnen ohnehin mehr sagen, ich war bei dem Unfall ja gar nicht dabei“.
Lisa war nicht begeistert, sie würde auch lieber die weitere Rettungsaktion verfolgen.
„Können wir irgendwo in Ruhe sprechen, Frau Hansen?“
„Ja, kommen sie, gehen wir auf die Terrasse.“
„Brauchst du mich dabei? Hans Sievers schaute seine Kollegin mit Unschuldsmiene an, hier muss ja schließlich auch einer alles im Blick behalten.“
Elke verdrehte die Augen: „Nein, schon gut.“ „Typisch, ich die Arbeit, Hans das Vergnügen“, murmelte sie und folgte Lisa zur Sitzgruppe unter dem Terrassendach. Immerhin ein angenehm schattiges Plätzchen, und ich kann sogar den Pool von hier aus sehen, dachte sie versöhnt.
„Frau Hansen, kann ich mir kurz die Hände waschen?“
„Ja, natürlich, kommen Sie.“
Schimmel im Pool / Folge 9
Gegenüber saß Willi Reichel nach wie vor auf Beobachtungsposten. Seine Frau hatte sich inzwischen zu ihm gesellt und hatte mit verfolgt, wie der Leichenwagen beladen wurde und dann davonfuhr. „Bist du sicher, dass deine Krampe nichts mit all dem zu tun hat?“ Willi ging ihr schon lange mit seinem Gehabe wegen der Pferdeäpfel auf die Nerven.
„Ach was, die Papierdinger sind doch völlig harmlos“, verteidigte sich Willi.
„Mein lieber Mann, du machst dir mehr Sorgen, als du zugeben willst, das sehe ich dir doch an.
„Unsinn, da ist bestimmt jemand übermütig in den Angeberpool gesprungen. Du weißt doch, was da immer los ist.“
„Jetzt hör aber mal auf“, Beate war nun wirklich erbost. „Die Hansens mit ihrer kleinen Patrizia sind eine sehr nette Familie. Nicht dass der Lütten was passiert ist.“
„Hast ja Recht“, gab Willi kleinlaut zu. Undurchsichtig die ganze Sache und beunruhigend, das mochte Willi gar nicht.
Schimmel im Pool / Folge 10
Elke Klausen war noch etwas verwirrt vom Entertainment auf dem Gäste-WC im Hause Hansen. Die letzten Takte einer Arie im Ohr ging sie durch die große Diele. Sie sah Lisa Hansen in der Küche hantieren. Am Küchentisch saß Patrizia; zu ihren Füßen hatte sich der Neufundländer niedergelassen. Sie löffelte ein Eis: „Haben wir selbst gemacht, in unserer Eismaschine. Willst du auch eins?“
„Oder lieber einen Kaffee oder ein Wasser?“ ergänzte Lisa.
„Gerne ein Wasser.“
„Darf ich das machen, Mama?“ Und schon spurtete Patrizia zur Küchenspüle.
Lisa Hansen sah den erstaunen Blick von Elke Klausen – ein Kind, das freiwillig in der Küche hilft?
„Das macht sie nur, weil wir seit Kurzem eine Sodaarmatur haben. Da fließt automatisch Sprudelwasser aus dem Hahn. Die Anschaffung ist etwas kostspielig, aber auf Dauer rechnet sich das. Besser für die Umwelt und nie wieder Wasserkisten schleppen…“! erklärte Lisa.
Die Kommissarin war beeindruckt – Pool, Klo-Konzert, dieses Sodadings - ein Haus voller Überraschungen, das musste sie später ihrem Kollegen erzählen. Aber jetzt war erst mal die Befragung wichtig.
„Frau Hansen, ich muss Ihnen jetzt noch einige Fragen stellen. Es wäre vielleicht besser, wenn Ihre Tochter …Sie wissen schon“!
„Ja, klar. Patrizia Schatz, geh doch mit Brandauer auf die Terrasse und schau mal, ob das Pferd noch immer im Pool ist.“
Als Tochter und Hund Richtung Terrasse davon gingen, wandte sich Elke Klausen an Lisa: „Frau Hansen, wie war das jetzt nochmal genau mit dem Unfall und dem Pferd?“
„Ich wurde erst durch meine Tochter auf die ganze Sache aufmerksam und kam in den Garten, als der Schimmel schon im Pool war.“
Und wie haben Sie Frau Walter entdeckt?“
„Brandauer hat gebellt, und der bellt nur, wenn es wichtig ist. Ich sah ihn an der Hecke schnüffeln und bin gleich hin. Und da lag Frau Walter und rührte sich nicht. Ich habe sie angesprochen und den Puls gefühlt, aber da war nichts. Dann habe ich einen Krankenwagen gerufen. Da wusste ich auch noch gar nicht, dass es sich um Frau Walter handelt. Sie und ihr Mann sind zwar Kunden meines Mannes, aber die kenne ich natürlich nicht alle persönlich.“
„Und haben Sie eine Vorstellung, warum Frau Walter ausgerechnet in Ihrem Garten verunglückt ist?“
„Wir sind hier ja nahe am Reiterhof, und dass Frau Walter dort ihr Pferd hatte und regelmäßig ausgeritten ist, erzählte mein Mann mir kürzlich.“
„Gab es dafür einen besonderen Anlass? Also ich meine, warum Ihr Mann das erwähnt hat?“
„Ja, tatsächlich. Auf der Baustelle der Walters – eine sehr aufwendige Wellnessanlage - lief wohl nicht alles rund und es gab Ärger zwischen Frau Walter und unserem Bauleiter, Helmut Tamm.“
„Inwiefern?“
Frau Walter soll ihm, also Herrn Tamm – ich will es mal vorsichtig ausdrücken – Avancen gemacht haben. Darauf ist er nicht eingegangen, schließlich ist er glücklich verheiratet. Seitdem soll Frau Walter Helmut Tamm bei jeder Gelegenheit schikaniert haben. Und sie soll schlecht über ihn geredet haben, vor allem auf dem Reiterhof, weil dort auch Tamms Frau Anja täglich bei ihrem Pferd ist. Zwischen den beiden Frauen soll es deshalb immer wieder zum Streit gekommen sein.“
„Das ist ja interessant. Dann hatte Anja Tamm möglicherweise eine ganz schöne Wut auf Frau Walter.“
„Ich glaube, da kann Ihnen mein Mann mehr sagen.“
„Danke, Frau Hansen. Kommen Sie, schauen wir mal, wie weit die Pferderettung gediehen ist. Und den Ehemann von Frau Walter muss ich auch verständigen.“
Schimmel im Pool / Folge 11
Etwa 9 Kilometer Luftlinie vom Haus der Hansens entfernt, stand Josef Walter am Bahnhof und wartete auf seine Frau Leonie, die ihn abholen sollte. Eine Woche lang in Spanien auf Geschäftsreise, eine anstrengende Angelegenheit, und der erwartete Geschäftsabschluss hatte auch nicht funktioniert. Josef Walter handelte mit Klima- und Entlüftungsanlagen im ganz großen Stil. Da war er sehr viel unterwegs und seine Frau entsprechend häufig allein. Aber sie hatte ja ihr Pferd, und der neue Wellnessbereich mit allen Raffinessen sollte ihr demnächst genügend Abwechslung bieten. Alles vom Feinsten – Sauna, Schwimmbad, Tauchbecken, Whirlpool. Und die Krönung – ein Schaumdampfbad, beim dem die Kabine mit feinstem pflegendem Schaum geflutet wird. Er war gespannt, ob während seiner Abwesenheit bereits alle Arbeiten fertig gestellt waren.
Josef schaute auf die Bahnhofsuhr – schon eine halbe Stunde stand er hier, es war heiß und keine Spur von seiner Frau. Er griff zu seinem Handy und tippte ihre Nummer ein. Er ließ es lange klingeln, aber seine Frau ging nicht ran. Das passte eigentlich gar nicht zu ihr. Selbst wenn sie aufgehalten worden wäre, hätte sie ihm eine Nachricht geschickt. Langsam wurde er ärgerlich. „Nehme ein Taxi!“ schrieb er ihr und machte sich auf den Weg.
Er hatte Glück und bekam sofort einen freien Wagen. Nur wenig später hielt das Taxi vor seinem Haus. Er bezahlte, stieg aus und wartete bis der Fahrer sein Gepäck aus dem Kofferraum genommen hatte. Josef wollte gerade auf die Klingel drücken, als die Tür geöffnet wurde. „Wo warst du ….“ begann er, aber statt seiner Frau stand Helmut Tamm, der Bauleiter für den Wellnessbereich vor ihm.
„Gut, dass Sie da sind, Herr Walter. Eigentlich hatte ich einen Termin mit Ihrer Frau, aber sie hat mich versetzt. Sie habe noch einen Änderungswunsch, sagte sie heute früh, als sie meine Leute und mich hineingelassen hat.“
Josef wollte gerade antworten, als das Handy von Helmut Tamm klingelte. „Da muss ich kurz ran, meine Frau.“ Das ist nicht mein Tag, dachte Josef und hätte nichts dagegen gehabt, gleich wieder auf Geschäftsreise zu gehen. Zumal er dabei meist seine Assistentin Susanne an seiner Seite hatte – aber das war eine andere Geschichte.
„Was..!“ hörte er Helmut Tamm aufgeregt sagen und sah diesen fragend an. „Eine Sekunde“, bedeutete dieser ihm und sprach wieder in sein Handy: „OK, wir treffen uns dort, ich fahre direkt los!“
„Ist was passiert?“, fragte Josef.
„Ja, irgendwas mit Ihrer Frau und dem Schimmel, bei den Hansens, ich weiß nichts Genaues.“ Er schaute besorgt: „Wollen Sie mit mir fahren?“
Josef schob seine Taschen in den Flur und schnappte sich seinen Autoschlüssel vom Haken über der Flurkommode: „Nein, ich nehme meinen Wagen, wir treffen uns bei Hansens!“
„Gut, meine Frau kommt direkt vom Reiterhof dort hin.“
Helmut Tamm stieg in den Firmenwagen mit der Aufschrift „Hansen – Ihr Partner für Sauna, Pool, Ambiente“. Josef Walter startete rasant mit seinem Porsche.
Schimmel im Pool / Folge 12
Willi Reichel und seine Frau saßen noch immer auf dem Balkon, vor sich eine Tasse Tee und leckeren Kuchen. Willi traute seinen Ohren nicht – schon wieder Pferdegetrappel. Automatisch griff er zu einer Papierkrampe. „Untersteh dich“, schimpfte Beate, „das muss jetzt mal aufhören, wer weiß was du heute schon angerichtet hast.“
Verunsichert legte Willi die Krampe beiseite: „Hast ja Recht.“ Er sah, wie die Reiterin auf ihrem braunen Pferd heran preschte und vor dem Haus der Hansens mit lautem „Brrrr!“ zum Stehen kam. Sie sprang mit einem Satz aus dem Sattel und befestigte den Zügel am Vorgartenzaun des Anwesens. „Wie im Wilden Westen“, dachte Willi, als seine Aufmerksamkeit erneut gefordert wurde: Mit kreischenden Bremsen hielten fast zeitgleich der Porsche und der Sauna-Pool-Ambiente-Firmenwagen vor Hansens Haus.
Lisa und die Kommissarin hatten gerade ihr Gespräch beendet, als es an der Tür Sturm klingelte. „Ja, ja, ich komme ja schon“, rief sie, eilte mit wenigen Schritten durch die Diele und öffnete. „Wo ist meine Frau?“, bellte Josef Walter und wollte direkt an Lisa vorbeistürmen. „Moment mal, wer sind Sie überhaupt?“ Bevor er etwas antworten konnte, schob sich Tanja Tamm nach vorne: „Hallo Frau Hansen, das ist Herr Walter. Ich hatte meinen Mann angerufen und ihm gesagt, dass etwas mit Leonie Walter und ihrem Pferd passiert sein muss – hier bei Ihnen im Garten oder im Pool, so hatte Herr Wiedemann uns im Gestüt kurz informiert. Was Genaues weiß ich aber auch nicht. Helmut hat es dann direkt an Herrn Walter weitergegeben, und dann sind wir gleich los.
„Ich verstehe, kommen Sie.“
Die vier eilten durch die Diele, wobei Josef Walter einen Augenblick stutzte, stehen blieb und tief Luft holte. Irritiert schauten die anderen ihn an.
„Sie haben eine Raumlüftungsanlage, oder?“
„Äh, ja…“ Sie konnte es kaum fassen – da wird dieser Mann mit dem Unglücksfall seiner Frau konfrontiert und macht sich Gedanken um die Raumluft in ihrem Haus?
„Dachte ich mir, tolle Sache“, bemerkte Walter und trat hinaus auf die Terrasse, gefolgt von Tanja und Helmut Tamm.
„Augenblick, das ist hier möglicherweise ein Tatort“, wurden sie von Elke Klausen aufgehalten. „Wer sind Sie?“
„Das ist der Ehemann von Leonie Walter und die Eheleute Tamm. Ich hatte vorhin von ihnen erzählt.“
Ach, herrjeh, dachte Elke Klausen, den Mann hätten wir längst verständigen müssen. Sie überbrachte ungern schlechte Nachrichten.
Schimmel im Pool / Folge 13
Josef Walter hatte sich nicht von der Kommissarin Klausen aufhalten lassen und trat von der Terrasse auf die Wiese. Ungläubig schaute er auf die Versammlung dort draußen: Feuerwehr, Herr Wiedemann vom Gestüt, Herr Hansen. Außerdem ein weiterer Mann, den er noch nie gesehen hatte. Was um Himmels Willen machen die dort, dachte er. Dann entdeckte er Whitesnake im Pool. Mit wenigen Schritten war er am Beckenrand: „Was ist hier los? Und wo ist meine Frau? Doch nicht etwa auch im Wasser?“
Elke Klausen hatte inzwischen auch den Pool erreicht: „Herr Walter, bitte, bleiben Sie zurück, wir erklären Ihnen alles.“
Sie winkte ihren Kollegen zu sich. Hans Sievers verließ nur ungern das unmittelbare Geschehen am Pool: An der Treppe stand noch immer Herr Wiedemann und lockte den Schimmel mit Apfel und guten Worten zu sich. Dieser rührte sich jedoch nicht von der Stelle, sondern stemmte sich erkennbar gegen den zunehmenden Druck von hinten, denn Peter Hansen hatte inzwischen die Intensität des Gegenstroms leicht erhöht.
„Das wird doch nichts“, murmelte Einsatzleiter Harmsen, hatte aber auch keine andere Idee parat, um das Pferd aus dem Wasser zu bekommen.
Hans Sievers und Elke Klausen führten Josef Walter ein wenig zur Seite: „Herr Walter, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass ihre Frau Leonie verunglückt ist…“ „Das habe ich bereits mitbekommen. Ist sie im Krankenhaus, oder was? Und was macht ihr Pferd da im Pool?“. Josef Walter war außer sich, vor Sorge und Ungeduld. „Also, was wir Ihnen sagen möchten“, Elke Klausen wies auf ihren Kollegen, der allerdings keine Anstalten machte, Josef Walter die Sachlage zu erklären. Wie immer, dachte Elke Klausen. „Herr Walter, wir haben Ihre Frau leider tot aufgefunden. Sie hat den Sturz mit ihrem Pferd nicht überlebt.“ Josef Walter war sichtlich erschüttert: „Wo, wie…was ist denn eigentlich genau passiert, und wo ist sie?“ „In der Gerichtsmedizin, Herr Walter. Wir tun alles, um diesen tragischen Unglücksfall aufzuklären…“ Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als ihr Handy klingelte. „Entschuldigung, Herr Walter, die Gerichtsmedizin, da muss ich ran…“
Schimmel im Pool / Folge 14
Elke Klausen entfernte sich einige Schritte von Herrn Walter und ihrem Kollegen, um das Gespräch auf ihrem Smartphone entgegenzunehmen. Dabei wäre sie fast dem Rasenmähroboter in die Quere gekommen, der nach wie vor fleißig seine Bahnen über den Rasen zog.
Sie war gespannt, was ihr die Kollegin zu sagen hatte: „Ja, Mareike, was gibt es?“
Die Gerichtsmedizinerin Mareike Lüder kam direkt zur Sache: „Also, nach eingehender Untersuchung steht fest, dass Leonie Walter nicht an den Folgen ihres Sturzes vom Pferd gestorben ist, sondern ganz knapp vorher zu Tode gekommen sein muss, also noch im Sattel; PHT, Plötzlicher Herztod, wenn du weißt, was ich meine.“
„Und da gibt es keinen Zweifel?“
„Nein! Sie wird es vielleicht gar nicht bemerkt haben; nicht jeder Betroffene hat warnende Symptome wie Brustschmerzen.“
„Vielleicht hat das Pferd ja gefühlt, dass mit seiner Reiterin etwas nicht stimmt, ist ausgebrochen und mit einem Satz über die Hecke…“, überlegte Elke laut. „Danke, Mareike, dann können wir die Ermittlungen ja einstellen.“
Elke schaute zu Josef Walter und ihren Kollegen: Auch wenn es sich jetzt um einen „natürlichen“ Tod handelte, leichter wurde das Ableben seiner Frau für ihn sicher nicht. Sie ging auf die beiden zu. Und die Sonne brannte unbeirrt vom Himmel. Und dann war ja da auch noch der Schimmel im Pool – was für ein Tag.
Schimmel im Pool / Folge 15
Puh, was für eine Hitze, dachte Lisa Hansen, die wie alle anderen am Pool stand und sich zunehmend Gedanken darüber machte, wie das arme Pferd nun endlich mal gerettet werden könnte. Kurz zuvor hatte die Kommissarin erklärt, dass Leonie Walter auf natürliche Weise zu Tode gekommen war, was Josef Walter sichtlich erschütterte. Er brauchte einen Moment, um sich zu fassen und ging ein paar Schritte in den Garten Richtung Sauna. Als er unvermittelt seinem Spiegelbild gegenüberstand, schien er einen Entschluss zu fassen: Leonis Schimmel, der arme Kerl musste aus dem Wasser, und zwar jetzt, das hätte seine Frau gewollt. Energisch schritt er zurück zum Pool. Lisa ging ihm entgegen, sie wollte ihr Beileid ausdrücken, ihn irgendwie trösten. Das hörte sie die Türklingel. Nimmt das denn gar kein Ende heute, dachte sie, als sie zur Haustür eilte. Sie öffnete und blickte überrascht in die Gesichter ihrer Nachbarn, Willi und Renate Reichel. Willi hatte am Ende doch das schlechte Gewissen zu sehr geplagt. Hatte sein Schuss mit der Krampe auf den Pferdehintern doch mehr Schaden angerichtet, als ihm lieb war? Er brauchte Gewissheit, und seine Frau hatte ihn darin bestärkt, bei den Hansens nachzufragen.
„Hallo, Herr und Frau Reichel…,“ begrüßte Lisa die Nachbarn. „Kann ich etwas für Sie tun? Es ist nur gerade etwas ungünstig…“
„Deshalb sind wir hier“, antwortete Willi Reichel. „Wir haben mitbekommen, dass bei Ihnen etwas passiert sein muss, der Krankenwagen, die Feuerwehr…wir wollten fragen, ob wir helfen können.“
„Das ist eine lange Geschichte: Wir haben einen Schimmel im Pool, seine Besitzerin, die Frau Walter ist quasi im Sattel plötzlich verstorben, als das Pferd mit einem Satz über unsere Hecke gesprungen, über die Wiese gefegt und schließlich im Wasser gelandet ist.“
Die Reichels waren sichtlich erschrocken. „Dann ist die Frau Reichel durch den Sturz ums Leben gekommen?“
„Nein, die Kommissarin hat von einem plötzlichen Herzversagen gesprochen, also ein natürlicher Tod, Sekunden vor dem Sturz. Wissen Sie was, kommen Sie mit in den Garten, vielleicht haben Sie eine Idee, wie man dem armen Pferd nun helfen kann. Sie waren doch beim Ordnungsamt, Herr Reichel, da haben sie sowas vielleicht schon mal erlebt.“
Von seinem Lieblingsplatz aus beobachtete Brandauer mit wachsendem Unmut das Geschehen. Die vielen Menschen, die hier nicht hingehörten, diese Unruhe den ganzen Tag, die Hitze. Und nun führte Lisa zwei weitere Leute in den Garten, die hier eigentlich nicht zu suchen hatten. Und dann noch dieses Pferd im Wasser. Und keiner der Zweibeiner hatte offenbar einen Plan, wie man den Schimmel aus dem Pool bekam. Brandauer hatte die Faxen dicke! Und als Neufundländer hatte er im Gegensatz zu der ganzen Meute am Pool einen Plan.
Schimmel im Pool - das Finale
Mit einem tiefen Brummen erhob sich Brandauer auf seinem Lieblingsplatz, der weichen Abdeckung des Whirlpools. Dabei hätte er fast Patrizia herunter geschubst, die dicht an ihn gelehnt mit ihrer Barbie-Puppe im Arm vor sich hingedöst hatte. „Was ist los, Brandauer“, fragte sie ihn erschrocken. Der Neufundländer brummte erneut und richtete sich zur vollen Größe auf. Er schaute auf das Treiben am Pool. Dann machte er einen Satz und landete auf dem Terrassenboden. Mit erhobenem Haupt schritt er langsam auf das Schwimmbecken zu. Erst als er nah am Beckenrand stand, schienen ihn die dort Versammelten wahrzunehmen. Lisa streichelte Brandauer sanft über den Kopf: „Was machst du hier, Brandauer, du sollst doch bei Patrizia bleiben.“ Der Hund schaute zu ihr hoch, und bevor Lisa noch etwas sagen konnte, setzte er zum Sprung an. Seine fast 75 Kilo trafen auf die Wasseroberfläche, ließen beim Eintauchen eine beachtliche Fontäne emporschießen und das Pferd und die Umstehenden verblüfft aufschauen.
Zügig schwamm der Neufundländer, der von Haus aus ein wahrer Wasserhund ist mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen, Richtung Schimmel. Dieser verhielt sich absolut ruhig, als würde er ahnen, dass sein Retter nahte. Ganz nah am Pferdehals öffnete Brandauer sein großes Maul, nahm den Zügel, der bislang nutzlos im Wasser hing zwischen die Zähne. Das Pferd im Schlepptau, begann er ganz langsam zur Treppe zu schwimmen. Alle hielten den Atem an. Gestütsleiter Bernd Wiedemann, der immer noch auf der Pooltreppe stand, verlor vor Aufregung den Apfel aus der Hand und Frank Harmsen, der Einsatzleiter der Feuerwehrtruppe strich sich ungläubig über die Augen.
Nur noch fast einen Meter bis zur Treppe. Ganz sanft zog Brandauer am Zügel, lammfromm folgte das Pferd. Schließlich hatten sie die Treppe erreicht. Der Neufundländer nahm langsam die Stufen und auch der Schimmel setzte seine Hufe auf die Treppe. Es war absolut still am Pool. Noch eine Stufe. Das Pferd zögerte kurz und keiner der Umstehenden wagte einen Mucks. Würde die Rettung gelingen?
Auch Patrizia hatte das Geschehen verfolgt und lief jetzt zu ihrer Mutter an den Pool: „Die schaffen das doch, oder?“ fragte sie ganz leise. Brandauer hatte sie trotzdem gehört und wandte Patrizia kurz den Kopf zu. Er schaute sie an und blickte dann zum Pferd, so als würde er diesem ein geheimes Kommando geben „Nur noch einen Schritt, Whitesnake…“! Offenbar hatte der Schimmel verstanden. Er setzte die Vorderhufe auf die letzte Stufe und folgte dann Brandauer brav „an Land“, wo sich Hund und Pferd ausgiebig das Wasser aus dem Fell schüttelten. Peter Hansen schwoll die Brust vor Erleichterung und Stolz : sein Haus, sein Pool und sein Hund, der Held des Tages!
Ende
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Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Der Roman ist ohne die Unterstützung von KI entstanden!
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