FEUCHTGEBIETE trockengelegt
Wieder einer dieser Tage, mit dem mich nur noch ein langes, schönes Bad versöhnen kann. Theoretisch. Die Rahmenbedingungen stimmen, die Wassertemperatur ist mollig, es duftet nach Provence. Rotweinglas und Lektüre sind griffbereit. Was will man mehr. Ich besteige die Wanne mit dem festen Vorsatz, ganz entspannt im Hier und Jetzt zu floaten, alles Störende hinter mir zu lassen, an nichts zu denken. Denkste.
Beim Versuch mich von mir abzulenken, fällt der Blick auf ein unansehnliches aber praktisches Objekt des alltäglichen Lebens. Dieses Dings trägt noch dazu einen unsäglichen und irreführenden Namen. Auch zusammen klingen Kultur & Beutel nicht gerade nach geglückter Liaison.
Das lateinische Wort cultura bedeutet pflegen, anbauen und geht zurück auf das Verb colere, colo, colui, cultus: siehe Landwirtschaft, auch Feldbestellung – als Gegenbegriff zu lat. natura – Natur. In der heutigen Begriffsverwendung rückt Kultur in die nähere Bedeutung von Kunst. Im Land der Dichter und Denker existieren zur Pflege der Kultur ein paar eingetragene Vereine, die sich „Kulturbeutel e. V.“ nennen. Ernsthaft.
Während der leider erfolglosen Suche nach einem treffenden Begriff für dieses Dings, gerate ich an meine sprachlichen Grenzen – was mich umso nervöser macht. WHOOSCH steht sie plötzlich da: Die bundesrepublikanische Sonderbeauftragte für Brachialkultur, selbsternannte Expertin für olfaktorische Grenzerfahrungen, frisch ernannte Botschafterin von Pipikackaland. Die Goddess der kleinen Stinker und umschwärmte Supernova der Analfixierten. DAS IT-GIRL des Kölschen Medienklüngels. Charlotte Elizabeth Grace Roche (Roche: engl. gesprochen wie Routsch, ähnl. zool.: cock&roach), geboren in Wimbledon/GB, aufgewachsen am linken Niederrhein. Sie wirkt auf den ersten Blick in ihrem hochgeschlossenen Blüschen so nichtssagend wie die Schriftführerin des „Kulturbeutel e. V.“ in - sagen wir mal – Niederkrüchten. Wer sie immer noch nicht kennt, kann nur gerade von einem mehrjährigen Forschungsaufenthalt in einem bisher unbekannten Feuchtgebiet Amazoniens zurückgekommen sein. Denn Charlotte verfügt über eine geradezu unheimliche Omnipräsenz, sonst stünde sie jetzt nicht vor meiner Wanne. Sie riecht nach irgendwie nichts, lächelt dünnlippig, haut mir kraftvoll ein pinkfarbenes Buch um die Ohren und näselt dazu – ich tippe auf Polyposis nasi - kiebig ohne Punkt und Komma:
„Ich könne mir in Zukunft meine ultraüberflüssigen Kolumnen über Badezimmer undso sonst wohin schieben nämlich dahin wohin sich die Helen in ihrem megageil laufenden Bestseller auch immer alles Mögliche schieben würde und solle statt dessen mal gefälligst den laufenden Zeitgeist checken dann würde selbst ich schnallen dass Pilzkulturen von Raststättenklos total in sind und parfümierter Lifestyle oder Körperpflege undso echt eklig sie müsse es ja schliesslich wissen denn deshalb wäre sie als anerkannte Expertin für Quotenfragen ja auch so oft mit dem lieben Harald dem knuddeligen Roger dem Stefan und dem Klaus Peymann vor der Kamera um nur mal ein paar der supi Kollegen aus der Scene zu nennen die Leserfans würden ja förmlich delirieren vor Dankbarkeit nachdem sie und die Helen denen mal unter die Nasen gerieben hat was frau mit Öffnungen und Körpersäften aller Art oben und untenrum noch so alles anstellen könnte und weil sex richtig sells und sie persönlich auch total happy wäre mit dem was bei den bisher wahnsinnig viel verkauften Büchern dank Helens Absonderungen so untenherum raus gekommen wäre davon könne sie ihre Tochter aber ganz locker auf die Internationale Schule und dann nach Harvard Princeton oder Yale schicken mir persönlich würde sie allerdings raten schleunigst in die Frührente zu verduften weil der angesagte Zeitgeist mittlerweile kräftig gegen die unterarmrasierten verpeilten Tussies mit Hygienefimmel anstinke und nächstens sowieso ein Küchenbecken und ein Waschlappen für die paar mal Waschen total ausreichten deshalb Badezimmer ganz klar megaretro würden höchstenfalls noch als uncoole Locations für verklemmte Vorstadtpomeranzen mit Lady Shave und Deoroller im Kulturbeutel taugten und by the way die Klotüren in echt hippen Szenelofts heutzutage längst ausgehängt wären...“
Sprachs, holt tief Luft, zeigt mir zum Abschied den Mittelfinger - und ist weg.
Nun wird es mir aber kühl im warmen Lavendelöl. Zwingt mich Charlottes Steilvorlage per Quote und literarisch tiefgelegtem (Zeit)Geist von nun an zum Schreiben spätpupertärer Toilettenprosa, Duftrichtung Bahnhof oder - Zote für die Quote – zum Verfassen von Latrinenparolen..? Meine düstere Phantasie wird ganz plötzlich von einer netten, kleinen Idee erhellt: Mal angenommen, von den vielen, vielen Käufern wären ein paar Hunderttausend vor kurzem von ausgedehnten Forschungsarbeiten im unteren und oberen Amazonasgebiet zurückgekehrt. Kernige Tropentypen, die sich in Urwäldern und Sümpfen unter- und oberhalb des Äquators bestens zurechtfinden, bedingt allerdings durch längere TV-Abstinenz, nicht mehr im Dschungel der allgegenwärtigen Medienlandschaft und im Sumpf des deutschen Feuilletons. Die dementsprechend arglos in Miss Roche eine kompetente Kollegin in Sachen Ökologie, vermuteten - und sich schlichtweg vergriffen haben. Hunderttausende von armen Opfern, getrieben von reinem wissenschaftlichen Interesse an feuchten Gebieten, wie zum Beispiel dem Orinoko-Delta, Pantanal, den Wattenmeeren oder Salzwiesen im südenglischen East Chidham...
Mit diesem Gedanken könnte ich mich befreunden. Langsam überkommt mich eine wohltuende Müdigkeit und ich denke mir noch entspannt: Wozu eigentlich die ganze Aufregung? Was ein so blöder, schmuddeliger Kulturbeutel alles so in einem auslösen kann...
Text © Ute Hoerle, Journalistin und PR-Beraterin, Düsseldorf
Illustration © Jim Tonic, Düsseldorf
Beim Versuch mich von mir abzulenken, fällt der Blick auf ein unansehnliches aber praktisches Objekt des alltäglichen Lebens. Dieses Dings trägt noch dazu einen unsäglichen und irreführenden Namen. Auch zusammen klingen Kultur & Beutel nicht gerade nach geglückter Liaison.
Das lateinische Wort cultura bedeutet pflegen, anbauen und geht zurück auf das Verb colere, colo, colui, cultus: siehe Landwirtschaft, auch Feldbestellung – als Gegenbegriff zu lat. natura – Natur. In der heutigen Begriffsverwendung rückt Kultur in die nähere Bedeutung von Kunst. Im Land der Dichter und Denker existieren zur Pflege der Kultur ein paar eingetragene Vereine, die sich „Kulturbeutel e. V.“ nennen. Ernsthaft.
Während der leider erfolglosen Suche nach einem treffenden Begriff für dieses Dings, gerate ich an meine sprachlichen Grenzen – was mich umso nervöser macht. WHOOSCH steht sie plötzlich da: Die bundesrepublikanische Sonderbeauftragte für Brachialkultur, selbsternannte Expertin für olfaktorische Grenzerfahrungen, frisch ernannte Botschafterin von Pipikackaland. Die Goddess der kleinen Stinker und umschwärmte Supernova der Analfixierten. DAS IT-GIRL des Kölschen Medienklüngels. Charlotte Elizabeth Grace Roche (Roche: engl. gesprochen wie Routsch, ähnl. zool.: cock&roach), geboren in Wimbledon/GB, aufgewachsen am linken Niederrhein. Sie wirkt auf den ersten Blick in ihrem hochgeschlossenen Blüschen so nichtssagend wie die Schriftführerin des „Kulturbeutel e. V.“ in - sagen wir mal – Niederkrüchten. Wer sie immer noch nicht kennt, kann nur gerade von einem mehrjährigen Forschungsaufenthalt in einem bisher unbekannten Feuchtgebiet Amazoniens zurückgekommen sein. Denn Charlotte verfügt über eine geradezu unheimliche Omnipräsenz, sonst stünde sie jetzt nicht vor meiner Wanne. Sie riecht nach irgendwie nichts, lächelt dünnlippig, haut mir kraftvoll ein pinkfarbenes Buch um die Ohren und näselt dazu – ich tippe auf Polyposis nasi - kiebig ohne Punkt und Komma:
„Ich könne mir in Zukunft meine ultraüberflüssigen Kolumnen über Badezimmer undso sonst wohin schieben nämlich dahin wohin sich die Helen in ihrem megageil laufenden Bestseller auch immer alles Mögliche schieben würde und solle statt dessen mal gefälligst den laufenden Zeitgeist checken dann würde selbst ich schnallen dass Pilzkulturen von Raststättenklos total in sind und parfümierter Lifestyle oder Körperpflege undso echt eklig sie müsse es ja schliesslich wissen denn deshalb wäre sie als anerkannte Expertin für Quotenfragen ja auch so oft mit dem lieben Harald dem knuddeligen Roger dem Stefan und dem Klaus Peymann vor der Kamera um nur mal ein paar der supi Kollegen aus der Scene zu nennen die Leserfans würden ja förmlich delirieren vor Dankbarkeit nachdem sie und die Helen denen mal unter die Nasen gerieben hat was frau mit Öffnungen und Körpersäften aller Art oben und untenrum noch so alles anstellen könnte und weil sex richtig sells und sie persönlich auch total happy wäre mit dem was bei den bisher wahnsinnig viel verkauften Büchern dank Helens Absonderungen so untenherum raus gekommen wäre davon könne sie ihre Tochter aber ganz locker auf die Internationale Schule und dann nach Harvard Princeton oder Yale schicken mir persönlich würde sie allerdings raten schleunigst in die Frührente zu verduften weil der angesagte Zeitgeist mittlerweile kräftig gegen die unterarmrasierten verpeilten Tussies mit Hygienefimmel anstinke und nächstens sowieso ein Küchenbecken und ein Waschlappen für die paar mal Waschen total ausreichten deshalb Badezimmer ganz klar megaretro würden höchstenfalls noch als uncoole Locations für verklemmte Vorstadtpomeranzen mit Lady Shave und Deoroller im Kulturbeutel taugten und by the way die Klotüren in echt hippen Szenelofts heutzutage längst ausgehängt wären...“
Sprachs, holt tief Luft, zeigt mir zum Abschied den Mittelfinger - und ist weg.
Nun wird es mir aber kühl im warmen Lavendelöl. Zwingt mich Charlottes Steilvorlage per Quote und literarisch tiefgelegtem (Zeit)Geist von nun an zum Schreiben spätpupertärer Toilettenprosa, Duftrichtung Bahnhof oder - Zote für die Quote – zum Verfassen von Latrinenparolen..? Meine düstere Phantasie wird ganz plötzlich von einer netten, kleinen Idee erhellt: Mal angenommen, von den vielen, vielen Käufern wären ein paar Hunderttausend vor kurzem von ausgedehnten Forschungsarbeiten im unteren und oberen Amazonasgebiet zurückgekehrt. Kernige Tropentypen, die sich in Urwäldern und Sümpfen unter- und oberhalb des Äquators bestens zurechtfinden, bedingt allerdings durch längere TV-Abstinenz, nicht mehr im Dschungel der allgegenwärtigen Medienlandschaft und im Sumpf des deutschen Feuilletons. Die dementsprechend arglos in Miss Roche eine kompetente Kollegin in Sachen Ökologie, vermuteten - und sich schlichtweg vergriffen haben. Hunderttausende von armen Opfern, getrieben von reinem wissenschaftlichen Interesse an feuchten Gebieten, wie zum Beispiel dem Orinoko-Delta, Pantanal, den Wattenmeeren oder Salzwiesen im südenglischen East Chidham...
Mit diesem Gedanken könnte ich mich befreunden. Langsam überkommt mich eine wohltuende Müdigkeit und ich denke mir noch entspannt: Wozu eigentlich die ganze Aufregung? Was ein so blöder, schmuddeliger Kulturbeutel alles so in einem auslösen kann...
Text © Ute Hoerle, Journalistin und PR-Beraterin, Düsseldorf
Illustration © Jim Tonic, Düsseldorf